Denkst du auch, du brauchst keine Maschenprobe(n) zu stricken? Dass es eine Verschwendung ist von deiner kostbaren Zeit oder von wertvollem Garn?
Dann hast du vielleicht einige Aspekte nicht bedacht. Wenn ich nicht lange Jahre in der Textilindustrie tätig gewesen wäre, wüsste ich diese Details sicher auch nicht. Aber sowohl Produktion als auch Designer nutzen Maschenproben nach wie vor, wenn sie mit einer neuen Garnqualität, Stoffqualität oder Musterung starten.
Bei Rundstrickmaschinen werden unter Umständen etliche Meter gestrickt, bevor die Maschengröße passt. Es wird probiert, experimentiert, geschraubt und verstellt. Da sind die ca. 15 cm² der Maschenprobe (für dich als Handstrickerin) doch ein Klacks.
Ich vergleiche die Maschenprobe gerne mit einer Wanderkarte.
Bist du auf unbekanntem Terrain, hilft sie dir beim Finden des Wegs. Sie zeigt wichtige Punkte auf deiner Route an, an denen du dich orientieren kannst. Und sie ist die verkleinerte Repräsentation des echten Wegs. Nicht jeder Stein ist eingezeichnet, nicht alles ist berücksichtigt. Sie hilft dir, den Weg zu finden. Aber sie ersetzt nicht die Wanderung und das damit verbundene Erlebnis.
Ich weiß, es gibt viele Einwände gegen die Maschenprobe, die Wanderkarte. Wanderst du auch lieber, ohne sie zurate zu ziehen? Hast du dich dabei auch schon verirrt? Dann solltest du unbedingt weiterlesen.
Darum geht es hier
Maschenprobe ist eine Zeitverschwendung
Klar, es gibt eine Zeitersparnis, wenn du die Maschenprobe nicht machst.
Wenn es sich um eine einfache Maschenprobe handelt, glatt rechts gestrickt und du sofort auf die richtige Maschendichte kommst. An der Stelle sparst du ca. 30 Minuten. Wenn du etwas mehr ausprobieren möchtest (dazu kommen wir noch) vielleicht auch zwei Stunden.
Für das Nassmachen/Waschen werden nochmals 30 Minuten fällig, allerdings nur ca. 5 Minuten aktiv. Der Rest ist Wartezeit. Und dann noch die Wartezeit, bis die Maschenprobe getrocknet ist.
Alles in allem etwa 2 Stunden aktiv und bis zu 8 Stunden Wartezeit. Wenn wir großzügig rechnen, kannst du also erst EINEN TAG SPÄTER als geplant mit dem Stricken anfangen.
Doch was gewinnst du an Zeit , wenn du eine Maschenprobe strickst?
1. Zeitersparnis, wenn du nach einer Anleitung strickst
- Du benutzt von Anfang an die richtige Nadelstärke, die du brauchst, um die vorgegebene Maschendichte zu erreichen. Im Englischen heißt das „get gauge“ also maßgenau sein. Die Vorgabe zu erreichen ist wichtig, wenn du die Anleitung nicht umrechnen magst.
- Falls das nicht klappt, hast du trotzdem Zeit gewonnen. Denn du hast jetzt die Information, mit welchen Maschen- und Reihenzahlen du umrechnen musst!
- Neue Muster hast du schon mal ‚geübt‘, bevor du ans eigentliche Strickprojekt gehst. Lästiges Aufribbeln bei Fehlern ist beim Übungsstück Maschenprobe ja nicht nötig.
- Du weißt, wie sich das Gestrick durch Nassmachen und Trocknen verändert. Und diese Veränderungen können gravierend sein! Zum Beispiel bei der sogenannten Superwash Wolle.
2. Zeitersparnis, wenn du nach eigenen Ideen strickst
- Um zu wissen, wie viele Maschen du für eine bestimmte Breite anschlagen musst, brauchst du die Info zur Maschenzahl pro 10 cm. Das ist viel schneller, als auf Verdacht anzuschlagen und loszustricken. Und wenn es dann nicht stimmt, müsstest du den Prozess wiederholen und wiederholen.
- Ebenso ist es mit der Länge bzw. Höhe, z. Bsp. Rückenteil-Länge oder Ärmellänge. Hierfür nutzt du einfach die Info zur Reihenzahl pro 10 cm.
- Du musst eventuell noch weitere Berechnungen machen (Ärmelweite, Oberweite usw.). Die sind einfacher, wenn du die 10 cm Maschenprobe als Referenzgröße hast. Vor allem, wenn sie schon gewaschen ist!
Eine weitere Zeitersparnis ergibt sich, wenn du die gleiche Wolle in Zukunft immer wieder verwenden willst. Dafür brauchst du dann ja keine Maschenprobe mehr zu machen.
Außerdem solltest du diese Art der „Zeitverschwendung“ nicht außer Acht lassen, wenn du keine Maschenprobe machst:
Wann und wie oft prüfst du überhaupt, ob deine Maschen- und Reihenzahlen passen? Denn oft strickt man anfangs loser oder fester als nach 20, 30 oder 50 Reihen. Ich habe da früher viel zu wenig drauf geachtet und oft erst am fertigen Vorderteil festgestellt, dass es zu klein oder zu groß ist.
Stell dir also diese Frage:
Wenn die Maschendichte nicht stimmt und du korrigieren musst: wieviel Zeit kostet dich das? Da ich nur eine mittelschnelle Strickerin bin, wären das 2-3 Abende, die ich (quasi) umsonst gestrickt hätte. Also ca. 3 x so lang wie der Zeitaufwand für die Maschenprobe.
Ganz abgesehen davon:
der Frust, wenn man ein (außer der Größe) gut gelungenes Strickteil aufribbeln muss. Aber wenn die Passform bei deinem Strickprojekt eine wichtige Rolle spielt, hast du kaum eine andere Wahl.
Und Passform fasse ich weit: da gehört bei mir auch die (Wunsch-)Breite eines Schals dazu!
Maschenprobe ist eine Garnverschwendung
Ich will nicht unterschlagen oder unterschätzen, dass für die Maschenprobe zusätzliche Garnmengen gebraucht werden. Je nachdem wie viele verschiedene Nadelstärken du ausprobieren möchtest oder musst. Vor allem bei dicken Garnen, kann du schon mal fast ein Knäuel dabei ‚drauf‘ gehen.
Bitte bedenke aber auch:
Viele Designer und Autoren von Anleitungen gehen davon aus, dass du eine Maschenprobe machst! Und die benötigte Menge an Garn ist meist in den vorgegebenen Mengen der Anleitung berücksichtigt. Es würde wenig Sinn machen, den Bedarf zu knapp zu berechnen.
Vielleicht ist deine Erfahrung, dass bis jetzt immer Wolle übrigblieb? Dann könnte das an dieser nicht verbrauchten Menge für die Maschenprobe liegen. Was machst du allerdings mit so einem Garnrest? Meistens sammeln diese Minimengen doch nur Staub in unserer Wollkiste.
Die Maschenprobe gibt dir die wunderbare Gelegenheit, dieses für dich neues Garn gründlich kennenzulernen. Und dafür sind die Euros fast immer gut investiert!
Verstrickbarkeit
Du findest heraus, wie gut sich das Garn verstricken lässt. Wie reagiert es auf den Strickprozess? Wird es weicher, lappiger oder ist es sehr steif? Lädt es sich elektrostatisch auf? Wie musst du es bremsen, ohne deine Finger zu lädieren?
Oberflächenoptik
Du siehst schon nach ein paar Reihen die Optik der Oberfläche, auch genannt das Maschenbild. Wie ist es im Vergleich zu Fotos in der Anleitung?
Durch die Garndrehung entsteht ein bestimmtes Strickbild. Vielleicht erscheinen bei glatt rechts diese Roll-Maschenschenkel?
Diese Problematik fällt schon bei der Maschenprobe auf. Sollte es dir gar nicht gefallen, kannst du rechtzeitig nach alternativen Strickmustern suchen.
Farbe
Die Farbe bzw. der Farbverlauf sehen oft am Garnknäuel ganz anders aus im Gestrick. Wenn es doch zu bunt ist, erkennst du das jetzt schon. Und du kannst ggf. gegensteuern Ideen, die ich dazu gesammelt habe, findest du im Blogartikel „10 Strick-Ideen für mehrfarbige Wolle mit (zu) buntem Farbverlauf“
Das fällt mir vor allem bei Sockenwolle auf, auch wenn auf der Banderole ein Foto abgebildet ist. Oft werden diese Muster nämlich mit der Maschine gestrickt und sind auch nur eine Annäherung an das, was dir von den Nadeln hüpfen wird.
Hast du sehr große Sorge, dass dir die Wolle wegen der Maschenprobe ganz knapp nicht reicht?
Mein Tipp:
Behalte im Hinterkopf, dass man die Maschenprobe aufribbeln kann! Genau wie andere Strickteile auch. Sie ist sozusagen deine (eiserne) Fadenreserve. Vor allem, wenn es wirklich nur eine kleine Menge ist, die dir noch fehlt.
Somit entsteht aus deinem Strickprojekt kein Strick-UFO, nur weil du es wegen einiger Garnmeter nicht fertigstellen kannst. Strick-UFO sagt dir nichts? Dann schau mal hier, in diesem Artikel habe ich die „10 Gründe für Strick UFOs: Warum (f)liegen sie bei uns herum?“ zusammen getragen.
Maschenprobe bringt keine Information bzw. Hilfe für das Strickprojekt
Etliche Strickerinnen sind der Meinung, dass die Ergebnisse der Maschenprobe nicht auf das Strickprojekt übertragbar sind. Beliebt ist da z. Bsp. das Argument bei Baumwolle oder Leinen, die sich aushängen und durch ihr eigenes Gewicht immer länger und breiter werden.
Unberechenbare Garne
Und ja, es ist nicht von der Hand zu weisen:
Vor allem Leinen ist da ein schwieriger Geselle. Sogar bei einem viel wesentlich stabileren Stoff, nämlich einem Gewebe, ist eine genaue Messung sehr schwer machbar. Sicher mit ein Grund, dass Bekleidung aus Leinen meistens nicht auf Figur geschnitten ist. Die klassischen Brustabnäher würden spätnachmittags etwa in der Taillengegend sitzen.
Allerdings kann man durchaus so ein Verhalten vorhersagen, wenn man eine Maschenprobe strickt. Vor allem, wenn du schon beim Stricken merkst, dass das Gestrick immer weiter wird, ist Vorsicht geboten. Du kannst spaßeshalber die Maschenprobe an einer Wäscheleine aufhängen und schauen, wie sie sich nach ein paar Stunden verändert hat.
Erwarte keine Wunder: durch eine Maschenprobe wird die Baumwolle oder das Leinengarn nicht stabiler. Aber du weißt, was dich erwartet. Dann kannst du zur Not noch auf ein Projekt umschwenken, bei dem Längung bzw. Ausleiern nicht so kritisch ist.
Nassmachen bzw. Waschen
Einen Punkt, der leider oft vergessen wird, ist die Nass-Behandlung der Maschenprobe. Oft vergessen, verdrängt oder nicht gewusst. Wenn auf der Banderole bzw. dem Etikett des Garnes so ein Zeichen zu sehen ist, heißt das: Du darfst und sollst das Garn ab und zu waschen.
Vielleicht sogar in der Waschmaschine, wie beim linken Beispiel. Was auch nicht verwunderlich ist, schließlich sind die meisten Teile unserer Kleidung waschbar. Warum also die selbstgestrickten Sachen nicht?
Und genau das ist der Grund, warum du mit der Maschenprobe das Gleiche tun solltest! Es gibt verschiedene Methoden, die du ausprobieren kannst. Sie im Einzelnen zu erläutern würde hier zu weit führen.
Sehr traurig finde ich immer, wenn das schöne, komplette Strickprojekt beim (falschen) Waschen ruiniert wird. Dann doch lieber nur ein kleines Muster, dessen Verlust sich leichter verschmerzen lässt. Oder?
Für Filzwolle gibt es meistens gleich die Wasch-Anweisung dazu. Warum? Diese Wolle soll einlaufen, und zwar viel! Allerdings weißt du erst wieviel, nachdem du sie gewaschen hast. Dann gibt es aber kein Zurück mehr.
Wenn du also maßhaltige Teile filzen möchtest, musst du genau das bereits bei der Maschenprobe probieren. Dazu wird sie entsprechend gewaschen und ermittelt, wie stark die Wolle einläuft. Erst aus diesen Ergebnissen werden dann die Strickmaße für Socken, Schuhe, Kissenbezüge usw. berechnet.
Gemustert oder glatt rechts gestrickt
Machst du deine Maschenprobe immer in glatt rechts? In den meisten Fällen ist das ok, weil viele Strickteile auch so gestrickt werden.
Wenn dein Strickprojekt allerdings komplett aus Strukturmustern wie Zöpfen, Patent, Perlmuster usw. besteht, wird es unzuverlässig. Ebenso, wenn du mehrfarbige Muster stricken willst.
Stricke die Maschenprobe in diesen Fällen lieber so, wie dein Strickprojekt sein wird. Dass du dabei gleich das bzw. die Muster ÜBEN kannst, ist wie ein doppelter Bonus. Und vergiss nicht: du kannst dabei auch noch verschiedene Nadeln ausprobieren!
Fazit
Wenn du den gesamten Aufwand für dein Strickprojekt berücksichtigst, bedeutet die Maschenprobe nur einen kleinen Zeitaufwand. Überlege mal ehrlich, wie viel Zeit du auf der anderen Seite einsparst, wenn du die Infos aus der Maschenprobe schon vor Strickbeginn bei der Hand hast.
Auch das Argument wegen des unnötigen Garnverbrauchs ist oft nicht haltbar. Bei vielen Anleitungen ist nämlich der Garnbedarf für die Maschenprobe bei den Mengenangaben bereits berücksichtigt. Außerdem kannst du die Maschenprobe im Notfall auch auftrennen und so ein Strick-UFO verhindern.
Alles in allem sprechen die viele Vorteile ganz klar dafür, eine Maschenprobe zu machen. Gerade bei neuen, dir unbekannten Garnen! Viel Spaß und dann leg mal los!
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Maschenprobe : die Spielwiese der Strickdesigner
Maschenprobe: wichtige Grundlage beim Umrechnen deines Strickprojektes
Monika meint
Ist es wirklich die Mühe wert, eine Maschenprobe zu machen? Spätestens mit dem Satz hier hast du mich überzeugt ‚Sehr traurig finde ich immer, wenn das schöne, komplette Strickprojekt beim (falschen) Waschen ruiniert wird.‘
Viele Grüße
Monika
Beatrix meint
Freut mich, liebe Monika, dass du das auch so siehst. Ist doch jammerschade! Und dann wäscht man schlimmstenfalls ‚lieber‘ die Maschenprobe verkehrt als den tollen Pulli oder die schöne Jacke.
Marie meint
Liebe Beatrix,
ich stricke gar nicht viel, so alle 2 Jahre ein Projekt und dann am liebsten mit Teilen, bei denen ich möglichst wenig denken muss, um beim Stricken gleichzeitig entspannt Radio (Wortsendungen) hören zu können, aber
Deine Anleitungen, Tipps und Tricks lese ich sooo gerne, dass ich mich schon darauf freue, bald von Dir zu einem neuen Projekt „verführt“ zu werden, an dem ich Deine vermitteltes Wissen auch anwenden kann –
und dann werde ich nicht nur, wie eh immer schon, eine Maschenprobe stricken, sondern dieses mit den von Dir vorgeschlagenen krausen Maschen an allen 4 Seiten und die Maschenprobe auch waschen – 2 Aspekte, deren Sinnhaftigkeit mir ja total einleuchtet, die ich aber selbst noch nie „am Schirm“ hatte! Danke!
Liebe Grüße
Marie
Beatrix meint
Liebe Marie, ich finde es echt klasse, dass du die Maschenprobe machst! Und ich bin mir sicher, das Projekt lässt sich finden. Hast du da schon eine Idee, in welche Richtung es gehen soll? Liebe Grüße von Beatrix
Marie meint
Liebe Beatrix,
folgende Wolle würde mich von der Beschreibung her „locken“: https://www.junghanswolle.de/wolle/marken/lana-grossa/elastico-von-lana-grossa – in der Farbe „Dunkelgrün“, aber dann ging’s natürlich gleich weiter mit dem Entscheiden ;-): Farbe eh nicht zu knallig?
Du hast diese Wolle mal in einem Beitrag genannt – würde sie sich für das (auch von Dir gezeigte) Modell https://www.ravelry.com/patterns/library/girlfriends-cardigan-anke eignen?
Wäre super, hier auch noch Deine Einschätzungen zu lesen …
Herzlich fragenden Grüße
Marie
Beatrix meint
Liebe Marie – das ist eine sehr spannende Frage. Da ich die nicht schnell beantworten kann, habe ich dazu ein Video gemacht. Du findest es unter diesem Link https://youtu.be/8RBBbOlZULQ. Ich hoffe, das hilft dir weiter Liebe Grüße Beatrix
Marie meint
Liebe Beatrix,
wow – das ist ja ein Service ;-): Dein Video ist großartig (!!!) – gerne hätte ich mehrere „Daumen hoch“ gegeben 😉 … so klug … es wird dauern (!!!), aber nachdem ich dann eines Tages allen Deinen Überlegungen gefolgt sein werde, mich für Wolle und Strickart entschieden habe und es daraufhin dann schon etwas zu sehen gibt, will ich gerne in Youtube per Link zeigen, wohin Deine umsichtigen Erklärungen mich geführt haben – versprochen!!! Bis dahin: Alles Liebe! Marie