Vielleicht kennst du das Problem? Du hast mehrfarbige Wolle gekauft, weil sie dich im Laden so angelacht hat und dir die Farben gefielen. Zuhause machst du die erste Strickprobe (Maschenprobe) und stellst fest: hui, das ist aber sehr knallig. Denn gerade bei Garnen mit buntem Farbverlauf ist die Optik verstrickt oft ganz anders als im Knäuel.
Was machst du jetzt? Augen zu und durch oder weg damit?
Oder besser: ich zeige dir 10 verschiedene Möglichkeiten, wie du diese Wolle mit ‚zu buntem‘ Farbverlauf verstricken kannst, ohne dabei geblendet zu werden.
Und an dieser Stelle sei kurz gesagt: natürlich gibt es Musterungen, die l e b e n davon, dass ein Garn ein wildes Farbspektakel vollführt! Aber das ist ja hier nicht der Fall.
Was du in den meisten Fällen brauchen wirst, ist ein neutraler Partner für die bunte Wolle. Zum Beispiel die grau-beige Farbpalette, wobei da helle oder dunkle Farbtöne möglich sind. Eine weitere Farbgruppe sind weiß, creme, ecru und puderige Töne.
Lass uns starten.
Darum geht es hier
Visuelles Unterteilen der bunten Flächen
Die neutrale Farbe der Begleitwolle ist im besten Fall gar nicht in der bunten Wolle vorhanden. Z. Bsp. solltest du nicht creme als neutralen Farbton wählen, wenn dies auch in der bunten Wolle vorkommt.
Warum? Die Strukturen und Trennung der neutralen und bunten Garne verschwimmen. Und damit leider auch teilweise der gewünschte Mustereffekt.
1. Kleine Muster mit einer neutralen Farbe
Sehr gut funktioniert Perlmuster: einfach oder doppelt. Durch den Wechsel von rechten und linken Maschen entsteht schon eine strukturierte Oberfläche, die wie ein Farbfilter wirkt.
Doch da hören wir noch nicht auf: wenn du beim Perlmuster immer abwechselnd Reihen in buntem und neutralen Garn strickst, bekommst du eine netzartige Struktur. Die legt sich wie ein halb-transparenter Schleier über die bunte Wolle.
Hier zeige ich dir das an einem Beispiel. Die ursprüngliche Musterung der Sockenwolle (siehe Maschenprobe links) kannst du noch erkennen – aber sie ist im Hintergrund.
Die verwendete Bindung ist das ‚gebrochenes‘ Perlmuster‘, siehe unten.


und Wolle Rödel Strumpfwolle Fb.023 (cremeweiss)
Hier siehst du eine Auswahl an geeigneten Mustern. Probiere sie aus und entscheide, welches dir am besten gefällt.



Diese drei Muster-Variationen funktionieren nur in Runden –
du müsstest sonst in jedem Rapport die Fäden vom Farbwechsel vernähen!

Dieses Muster hingegen ist für Runden und Reihen gleichermaßen geeignet!
2. Streifen bunt und uni im Wechsel
Eine wirklich schöne Variante, meiner Meinung nach. Sie bringt dir mit großer Wahrscheinlichkeit ein vielseitiges Strickteil ein: die „Ringelmethode“.
Mein Tipp: verwende eine neutrale Farbe, die gut zu deiner Grundgarderobe passt. Im Beispiel ist das ein Beigeton, ich persönlich würde zu einem (kühleren) Grau oder Jeansblau tendieren.
Auch hier sind deiner Phantasie keine Grenzen gesetzt! Ringel, je nach Breite, haben ganz unterschiedliche optische Effekte. Hier nur ein paar Beispiele:
- 2-Reihen Ringel in neutral und bunt abwechselnd
- 2-Reihen Ringel in neutral und 1-Reihen Ringel in bunt
- 6-Reihen Ringel in neutral und 2-Reihen Ringel in bunt
- 4-Reihen Ringel in neutral in 2-Reihen Ringel in kraus rechts in bunt
In diesem Beispiel kannst du auch gut erkennen, wie anders die Wirkung ist, wenn anstatt des hellen ein dunkler neutraler Ton gewählt wird. Faszinierend!


Anleitung auf Ravelry gratis: Isabelle Milleret MEINE KLEINE STREIFENJACKE
3. Mehrfarbige Muster
Wenn du schon erfahren im Umgang mit mehrfarbigen Strickmustern bist, kann diese Möglichkeit für dich interessant sein. Oder es ist ein guter Einstieg in das Thema: denn mit nur 2 Garnen kannst du multicolor- Effekte erzielen.
Ohne ständig Garne wechseln zu müssen, kannst du dich auf das Muster konzentrieren und bekommst trotzdem eine vielfarbige Optik.
Und der Clou: ganz wenig Fäden zum Schluss sind noch zu vernähen.
Das kleinste und einfachste Muster, nämlich 1 Masche neutral, 1 Masche bunt im Wechsel, wurde in diesen Socken verwendet. Du könntest jedoch dazwischen auch ein paar Reihen nur in neutraler Farbe stricken: dadurch wird der Effekt noch dezenter.

Eine große Inspiration für vielfarbige Muster ist für mich schon seit Jahrzehnten der britische Designer Kaffe Fassett. Er benutzt in vielen Muster deutlich mehr als 10 verschiedene Farben und trotzdem wirken seine Strick-Kunstwerke sehr harmonisch und ansprechend.
Von ihm können wir eine hervorragende Idee weiter entwickeln. Kleine geometrische Formen, aneinander gereiht, ergeben eine ruhige, weil rhythmische Fläche.


links: Stripe Scarves Cowls; rechts: Watercolor Cowl
Ich könnte fast wetten, dass dieses Gratis-Design auch von ihm inspiriert ist.

Mischen von verschiedenen Garnen
Hast du das schon mal probiert? Du nimmst mehrere deiner Garne zusammen und verstrickst sie gemeinsam. Und schon hast du ein ‚neues‘ Garn entdeckt, dass definitiv mehr ist als die Summe seiner Einzelteile.
Auch hier möchte ich dir empfehlen: probiere es aus. Um den ersten Eindruck zu bekommen, solltest du die einzelnen Fäden miteinander verdrehen und schauen, ob dir das Ergebnis zusagt.
Ganz herumkommen wirst du aber schätzungsweise um eine Maschenprobe nicht – aber wir könnten sie ja einfach „Strickversuch“ nennen. Außerdem brauchst du für deine Kreation ja auch eine Information zu Maschen- und Reihenzahl, damit am Ende etwas für dich passendes rauskommt.
Wenn du wissen möchtest, wie du die richtige Nadelstärke findest, habe ich dir einen anderen Blogartikel von mir verlinkt. ⇨ Garnbestimmung
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen:
verstrickt wirken Garne oft anders als man vom Anschauen des Fadens annehmen würde. Sowohl die Farbigkeit als auch die Oberfläche sind nicht voraussagbar. Und das Ergebnis kann viel besser oder schlechter sein – meistens ist es jedoch anders, als man denkt!
4. Mischen mit Mohair und anderen langhaarigen Garnen
Langhaarige Garne bzw. Garne mit lang abstehenden Fasern eignen sich prima für zweifädiges Stricken. Wenn du ein Strickteil aus Mohair oder Kidsilk-Mohair anschaust, fällt auf, dass selbst kräftige Farben abgemildert und verwischt wirken. Ähnlich wie bei einer Aquarellmalerei.
Diese Haarigkeit, auf englisch „halo“ genannt, wirkt wie ein Schleier über bunten, kräftigen Farben und mildert diese stark ab. Verstärken kannst du diesen Effekt noch, indem du beim Mohair auf die richtige Farbauswahl achtest.
Am besten funktioniert diese Methode, wenn du helle, neutrale Töne wie hellgrau, silber, creme, puder oder weiß mit dem bunten Garn kombinierst.
5. Mischen mit einem neutralen Ton in der gleichen Garnqualität
Als ‚Marl-Effekt‘ inzwischen schon recht bekannt, reden wir hier eigentlich von einem Mélange oder Mouliné Garn. Ein bunter (oder heller) Farbton wird meist mit einem Dunkelgrau, Anthrazit oder schwarz zusammen gezwirnt und es entsteht eine Mischfarbe.
Je größer der Farbunterschied ist, umso stärker wirken die zwei Garnfarben verpixelt. Je ähnlicher von Helligkeit und Farbton, umso sanfter wird der Effekt. Du kannst auch hier deine Tests durch Zusammendrehen der Einzelfäden machen – das ist ein guter Anfang.
Das schöne an dieser Variante ist, dass du deine eigenen Farb-Übergänge schaffen kannst. Du musst das nicht nach einer bestimmten Runden- oder Reihenzahl machen – es kann passieren, wann immer du es beschließt. Dadurch, dass du immer nur eine Farbe veränderst, erreichst du sehr fließende Übergänge.
Der Meister der sanften Übergänge ist meiner Meinung nach Stephen West. In diesem Pullover zeigt er das im bunten Teil, in der Passe wird dann mit dem klassischen Mouline (ein Faden ist schwarz) dagegen gesetzt.

Stephen West MARLED MANIA SWEATER
Und hier noch ein paar weitere Inspirationen. Durch Anna Maltzs Buch „New Directions in Knitting“ bin ich erst so richtig auf das Thema Marl aufmerksam geworden. Sie nutzt die zweifarbigen Garne für ungewöhnliche Muster, die viel schwieriger aussehen, als sie sind.

Und bei dieser Anleitung kannst du hervorragend verschiedene knallfarbige Wollreste kombinieren. Durch die Grundfarbe sieht das Teil trotz aller Vielfarbigkeit einheitlich aus.

Flynnknit MIX AND MARL COWL
Natürlich kannst du Marl-Effekte auch super für große, glatt-rechts gestrickte Flächen nutzen. Dadurch werden sie optisch interessanter.
6. Mischen mit einem bulky oder super bulky Garn (ab ca. Nadelstärke 8)
Das bulky bedeutet im Grunde voluminös und sagt schon, darauf wir hier hinaus zielen wollen. Achte bitte beim Kauf des dicken Garn darauf, dass es keine FILZWOLLE ist! Sonst funktioniert das nämlich nicht.
Gut funktionieren tut auch hier eine Kombination mit einer neutralen Farbton.
Durch die Bauschigkeit (heißt tatsächlich so) des dicken Garns landet das bunte, dünnere Garn wie in einer Wolke. Der dünnere Faden sinkt etwas in das dickere, lockerer gedreht Garn ein und wird dadurch teilweise unsichtbar.
Dieser Effekt ist den sogenannten Art Yarns nachempfunden. Diese Garne sind von Hand gesponnen. Dabei wird absichtlich sehr ungleichmäßig gearbeitet und viele verschiedenen Materialien verwendet.
Was ich damit meine, kannst du gut an diesem Bild erkennen.


Links: COMET in Fb. Cosmic Rays; Rechts: Anleitung für den Loop (Cowl) KALEIDOSCOPE
Bunt, aber nur in kleiner Dosis
Manchmal ist die beste Lösung aber auch, die Buntheit in den Vordergrund zu stellen – aber nur an einer kleinen, definierten Stelle. Das ist ein visueller Trick, denn die Farbe steht durch das viele ‚Neutrale‘ herum zu Fokus. Sie wirkt durch den sparsamen Einsatz besonders und kostbar.
7. Farbige Akzente im Strickteil
Eine Methode, die gerne von Modefirmen wie Boden und Anthropologie verwendet wird, ist die Weniger-ist-Mehr-Methode wenn es um Farbe geht. Ein klassisches Teil wirkt durch einen kleinen Farbklecks individueller und ungewöhnlicher.
Sehr gut geeignet sind dafür die Übergänge im Strickstück an Bündchen, Nähten oder Blenden. Allerdings solltest du hier bedenken: „wenig“ können auch nur ein paar Reihen sein und nicht das ganze Bündchen oder die Blende.
Hier ein paar Beispiele um dir zu zeigen, was ich meine.


Links: Lana Grossa TRACHTENJACKE; Rechts: Purl Soho COLOR DIPPED HAT
Und ja, bei Trachtenstrick wirst du diese, sehr spezielle „Liebe“ zum Detail immer wieder vorfinden.
8. Socken – Spitze, Ferse und Bündchen
Bei Socken hast du den Vorteil, dass Ferse und Spitze sich durch die Form schon ganz deutlich vom Hauptteil unterscheiden. Wenn du dort andersfarbiges, nämlich buntes, Garn verwendest, wirkt das geplant und gewollt.
Oder du machst nur Sneakersocken, dann eventuell mit dem Hauptteil dieser Kurz-Socken in dem bunten Garn. Und so lassen sich auch wirklich kleine Mengen noch verwenden, wie praktisch!


Links: Purl Soho EASY HEEL COLORBLOCK SOCKS; Rechts: Stella Ackroyd GOLDILOCKS ROCKS! Socken
9. Log-Cabin Technik für Überwürfe und Decken
Diese spezielle Technik wurde optisch von Patchwork-Quilts abgeschaut. Es wird immer nur ein einzelner Block auf einmal gestrickt. Dann werden aus den abgeketteten Reihen und den Kanten wieder neue Maschen aufgenommen.
Bei Staci Perry kannst du eine Art Mini-Kurs zum Thema wie man eine Log-Cabin (also Blockhütte) Decke strickt.
Ein Farbwechsel zwischen neutraler Hauptfarbe und bunter Akzentfarbe ist am einfachsten von Block zu Block machbar.
Eine besonders schöne Lösung ist bei dieser Decke gelungen, finde ich. Im Blogartikel wird auch gezeigt, dass nur in der Mitte die bunten Farben auftauchen.
https://www.moderndailyknitting.com/blue-orange-green-green-green-white-white-white-white/
10. Island- und Norwegermuster
Die klassische Stricktechnik, aber diesmal mit einem kleinen Twist. Denn normalerweise sind die Farben entweder sehr kontrastreich (Norweger: schwarz-weiß) oder mehrfarbig mit einer Rundpasse (Island).
Eine junge Designerin, Jennifer Steingass, hat diese Musterungstechniken aufgegriffen und macht dann ihr eigenes „Ding“ daraus. Was ich sehr faszinierend finde: die verschiedenen Farben in der Passe kommen alle von nur einer mehrfarbigen Wolle!
Wenn du es nicht schon ahnst: auch hier gibt es deshalb nur wenige Fäden zu vernähen.


Anleitung bei Ravelry: Jennifer Steingass LAUREL JUMPER
Fazit
Du siehst schon an den vielen Beispielen, dass du den Kopf nicht hängen lassen brauchst, wenn dir das soeben gekaufte Garn zu bunt erscheint.
Gerade, wenn du online kaufst, sieht mehrfarbige Wolle sehr oft völlig anders aus als in natura. Schon von einem Bildschirm zum anderen gibt es enorme Farbunterschiede! Das fällt umso stärker ins Gewicht, je mehr Farbtöne in einem Garn vorkommen. Manchmal scheint die gelieferte Wolle nichts mit der zu tun zu haben, die wir bestellt hatten!
Wenn du nun lieber stricken als zurückschicken möchtest: schau doch mal, ob eine der hier genannten 10 Möglichkeiten bzw. Ideen für deinen „Fall“ funktionieren könnte.
Susanne Lindenthal meint
Liebe Beatrix,
ich glaube ich muss mir echt abgewöhnen Deine Artikel zu lesen, da komm ich ja mit meinen Strickprojekten niemals nach. Diese mehrfärbigen Socken mit dem gebrochenen Perlmuster, die haben’s mir ja schon angetan, seit ich die das erste Mal bei Dir gesehen habe. Aber jetzt kann ich da gar nicht mehr daran vorbei. Danke für die tolle Anleitung und die vielen Zusatzinfos!
LG Susanne
Beatrix meint
Liebe Susanne, bitte nicht abgewöhnen 😘 Ich freue mich sehr über dein Feedback. Beim Schreiben dachte ich mir: „Es ist an der Zeit, dieses gebrochene Perlmuster endlich zu veröffentlichen – versprochen ist versprochen.“ Meine Socken in dem Muster sind inzwischen fertig – aber es gab da doch die ein oder andere Reihe, die zurück gestrickt werden musste. Denn so simpel das Muster ist, es ist einfach auch schnell mal ein Fehler drin. Viel Glück, Erfolg und Spaß damit 💜
Made with Blümchen meint
Wieder so ein toller Post mit so vielfältigen Anregungen, liebe Beatrix! Die bunte Isländer-Passe und die Mütze mit dem gemixten Garn haben es mir besonders angetan. Faszinierend immer wieder die Vielzahl der Ideen! LG Gabi
Beatrix meint
Liebe Gabi, ich freue mich immer sehr, wenn du bei mir etwas Inspiratives entdeckst 💜 Die Isländerpasse wurde auch schon von meiner Tochter auf ihre Wunschliste geschrieben. Mir gefällt da auch die Idee, es als Sommerpulli umzusetzen. Bin gespannt, ob sich da noch mehr Projekt aus diesem Artikel ‚ergeben‘. Das wäre genial! Liebe Grüße, Beatrix