Es ist mir erst kürzlich aufgefallen: ich kaufe kaum noch ein Buch, ohne vorher den „Blick ins Buch“‘“ oder eine andere Leseprobe zumindest zu überfliegen. Und im Grunde ist die Maschenprobe so etwas wie eine Leseprobe für dein Strickprojekt.
Vielleicht kennst du den Spruch: „Don’t judge a book by its cover!“ Und ich stimme zu.
Ein Buch sollte nicht nur nach dem Einband beurteilt werden. Denn viele Details lassen sich daraus nicht erkennen, nicht mal erahnen. Ob das nun virtuell oder im Buchladen passiert, macht eigentlich keinen Unterschied.
Und so ähnlich ist es auch, wenn du eine neue Wolle in den Händen hältst. Viel bleibt dir verborgen, wenn du das Garn nur betrachtest und befühlst. Du siehst quasi nur den „Einband“, das Äußere, das Offensichtliche.
Doch es gibt noch mehr Punkte, in denen sich Maschenprobe und der bekannte „Blick ins Buch“ ähneln.
Darum geht es hier
Der erste Blick – schnell und informativ
Man sollte ja ein Buch nicht nur nach dem Einband beurteilen – aber einen Vorgeschmack gibt es schon. Und ich schaue beim Lesen immer wieder gerne darauf.
Es entsteht bei diesem Blick ein erster Eindruck. Vielleicht wachsen in unseren Köpfen auch noch bestimmte Vorstellungen und Erwartungen. Oft werden die Neugier und die Lust darauf geweckt, tiefer einzutauchen.
Ob die geweckten Erwartungen erfüllt werden oder enttäuscht, ist nicht erkennbar. Sondern höchstens, ob es dich genug anspricht, um den nächsten Schritt zu machen.
Bis hierher war das Buch eher mit dem Garn als der Maschenprobe vergleichbar. Aber nun schauen wir uns Maschen- bzw. Leseprobe mal genauer an.
Wie ist dein erste Bewertung?
Wie fühlt es sich an, wie ist dein Eindruck? Ist es mühevoll oder bereitet es Freude? Ist es eher „Lust auf mehr“ oder „Danke, aber nein danke!“
Das gilt, egal ob du eine Maschenprobe strickst, oder den ersten Blick in ein Buch wirfst. Vielleicht stellst du jetzt schon fest, dass du Schwierigkeiten hast „reinzukommen“. Achte auf diese Warnung – es muss noch keine Entscheidung dagegen sein!
Was du bewerten kannst und solltest: Wie empfindest du diese Schwierigkeiten? Liebst du diese Art Herausforderung oder wird es dir zu hoch? Kannst du dich daran gewöhnen? Und hast du überhaupt Lust und Zeit, dich da reinzufuchsen?
Diese Fragen stellt man sich nicht mithilfe einer Checkliste. Sie laufen meist unterschwellig ab, wenn wir eine Leseprobe durchgehen. Und von Mensch zu Mensch in etwas abgewandelter Form.
Bei der Maschenprobe können wir uns genau die gleichen Fragen stellen. Und nur wenn die Antwort ja oder möglicherweise heißt, macht es Sinn, tiefer ins Thema einzusteigen.
Grobe Abschätzung
Du kannst schon nach diesen wenigen Schritten in etwa abschätzen, wie der Zeitbedarf sein wird. Denn ein höherer Schwierigkeitsgrad bedeutet meist auch mehr Zeitaufwand.
Das Gute:
Dir wird schon früh klar, was dich erwartet bzw. auf dich zukommt. Nicht erst das Buch gekauft und nach 5 Seiten weggelegt. Oder die Wolle für die Strickjacke und nach dem ersten Ärmel aufgegeben.
Strickstil und Schreibstil
Auch da sehe ich Parallelen. Wenn dir beim ersten Blick ins Buch der Schreibstil nicht zusagt, wirst du wahrscheinlich nicht weiterlesen.
So ähnlich ist meine Erfahrung bei der Maschenprobe. Quietschen beim Stricken die Nadeln, wird das Maschenbild ungleichmäßig oder tun dir schon nach ein paar Zentimeter die Hände weh? Dann passen das Garn und dein Strickstil nicht zusammen.
Doch die Maschenprobe und die Leseprobe können noch mehr.
Die Inhalte – Struktur und Details
In den meisten Leseproben ist das Inhaltsverzeichnis enthalten. Und einige Seiten des Inhalts, vielleicht auch Diagramm, Fotos und ähnliches. Du kannst also schon in den Flow des Lesens kommen.
Inhaltsverzeichnis
Aus gutem Grund gibt es das in vielen Büchern, denn es gibt eine Übersicht über den gesamten Inhalt. Außerdem, ganz wichtig, zeigt es dir in welcher Reihenfolge diese Inhalte auf dich zukommen.
Und bei der Maschenprobe kannst du das auch austesten. Du gehst schon mal die Abläufe für Anschlagen, Stricken und Abketten durch. Und das in der gleichen Reihenfolge wie beim eigentlichen Strickprojekt. Die Erkenntnisse daraus kannst du nutzen.
Strukturen
Wie ist das Buch aufgebaut, welche Kapitel bzw. Strukturen sind vorhanden? Wo liegen die Schwerpunkte, worauf legt der Autor Wert? Die Leseprobe kann dir da einen Einblick geben. Wenn du siehst, dass viele Kapitel von einem bestimmten Thema handeln: hier liegt der Fokus!
Bei der Maschenprobe nehme ich das Wort Strukturen noch wörtlicher: denn die erzeugst du. Beim Stricken. Gerade wenn eine Maschenprobe nicht nur in glatt rechts gestrickt wird.
Interessante Details
Eigentlich ist eine Leseprobe wie legales Spickeln durch ein Loch im Zaun. Du siehst zwar nur einen kleinen Ausschnitt, aber der kann schon sehr aussagekräftig sein.
Durch die Beschränkung fällt der Blick auch auf kleine Details. Diese können für dich ganz neu sein und richtige Entdeckerfreude auslösen. Mit etwas Glück findest du schon hier wichtige Informationen – egal ob über den Buchinhalt oder das geplante Strickprojekt.
Was aber auch klar ist: es wird nicht alles preisgegeben!
Und damit kommen wir zum „Haar in der Suppe“.
Ein Restrisiko bleibt
Trotz allem Spickeln, sich vorab informieren und antesten.
Denn das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile.
Und du kannst nicht vor der Kaufentscheidung bzw. dem Start des Strickprojekts alle Eventualitäten abgeklärt. Das macht ja auch keinen Sinn.
Leider liegt darin auch der Knackpunkt. Falls du schon einmal, trotz Leseprobe, mit einem Buch unzufrieden warst, kannst du das nachvollziehen. Denn die Probe (Maschen- oder Leseprobe) weckt Erwartungen, vielleicht sogar Hoffnungen oder Sehnsüchte in uns.
Ob diese erfüllt werden, liegt auch daran, wie wir mit den Problemen umgehen, die auftreten können.
- Unerwartete Probleme können sein: Zeitmangel, äußere Umstände
- Unterschätzte Probleme: Aufwand, zu optimistische Einschätzung von Schwierigkeiten
- Überschätzte Hilfe: das Lesen bzw. Stricken entfällt nicht durch die Probe
- Aussagekraft: es wurden nicht alle wichtigen Details im Vorfeld erkannt und wahrgenommen
Vielleicht hat auch die Maschen- oder Leseprobe dazu geführt, dass du „Nein“ gesagt hast – obwohl das Buch wichtig oder das Strickprojekt machbar gewesen wäre. Sich zu wenig zuzutrauen kann ja eigentlich auch ein Problem sein.
Kurz zusammengefasst:
Die Fehlkauf-Gefahr kannst du durch die Lese- bzw. Maschenprobe nur minimieren, nicht ausschließen. Ein Restrisiko bleibt, dass das Buch im Regal Staub sammelt oder dein Strick-UFO im Strickkorb.
Fazit
Im Grunde kannst du eine Maschenprobe genauso nutzen, wie eine Leseprobe vor dem Bücherkauf. Du bekommst erste wichtige Anhaltspunkte darüber, wie das Projekt ablaufen wird. Damit wächst deine Vorstellung davon, was auf dich zukommt.
Da du schon einige Details abklären kannst, wächst dein Vorabwissen. Und du bsit, bis zu einem gewissen Grad, vor Fehlentscheidungen bzw. Fehlkäufen geschützt.
DIES IST EINER DER BLOGARTIKEL IN DER KATEGORIE „MASCHENPROBE“
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Maschenprobe: die Spielwiese der Strickdesigner
Maschenprobe: wichtige Grundlage beim Umrechnen deines Strickprojektes
Marie meint
Hallo Beatrix,
beim Lesen Deines Artikels kam eine (für mich ganz neue!) Frage in mir auf:
Ob es vielleicht doch einfach besser ist, Wolle, falls vom Wohnort her möglich, grundsätzlich nicht online zu kaufen, sondern in einem Laden vor Ort, denn dann könnte man
1. die Wolle ja immer auch „anfühlen“ und
2. sich probeweise einen (!) Knäuel kaufen, die restliche für das gepante Projekt benötigte Wolle z. B. zwei Tage zurücklegen lassen und in dieser Zeit die Maschenprobe stricken, sodass hernach klar ist, ob man das Strickprojekt auch wirklich angehen will oder das reservierte Garn lieber wieder freigibt.
Was sagst Du dazu?
Herzlich fragende Grüße
Marie
Beatrix meint
Liebe Marie – das ist ein wirklich guter Plan! Da ich auch so ein ‚Haptiker‘ bin, freu ich mich immer, wenn die Wolle ‚befühlt‘ werden kann und nicht nur angeschaut. Und wenn der Laden die Wolle für dich zurücklegt, ist das eine sehr, sehr feine Sache. Viel Erfolg wünscht dir Beatrix