Auf dem Weg zur perfekten grauen Strickjacke für die warme Jahreszeit, also für Frühling und Sommer, bist du nun schon beim nächsten Schritt angekommen: nämlich beim Garn. Im vorherigen Blogartikel dieser Serie haben wir eine große Vielfalt von Modellen kennengelernt: „Graue Strickjacken: große Auswahl zum Stricken für Frühjahr und Sommer“
Längst nicht alle Schnitte und Designs werden dir gefallen und stehen. Manche findest du vielleicht zu verspielt oder zu streng oder zu unpraktisch. Und nachdem du dich entschieden hast, welches Strickjacken-Modell du machen willst, ist nun das Garn an der Reihe.
Warum nicht andersherum? Warum nicht erst das Garn, dann das Strickmodell??
Das letztendliche Ziel ist: ein selbst gestricktes Kleidungsstück, dass dir gut passt, gefällt und ein echtes Arbeitstier in deinem Kleiderschrank ist. Fängst du mit Garnverliebtheit an, werden sich alle anderen Sachen dem Garn unterordnen müssen.
Denn du kannst aus dem wunderschön glänzenden Seide-Alpaka-Garn eben nicht die verschlusslose Longjacke machen, die du brauchst. Das Garn längt sich und schwups hast du anstatt dessen ein Zelt mit Ärmeln.
Hast du Schwierigkeiten, dich zu entscheiden, welches Strickjacken-Modell das richtige für dich ist? Dann kann ich dir diese praktische Entscheidungshilfe empfehlen.
Übrigens:
Ich bin überzeugt, dass (mindestens) 90 % der Anleitungen für ganz bestimmte Garne gedacht sind. Der Grund ist einfach: Schnitt und Passform müssen mit einem Garn zusammenspielen, damit es zum Schluss gut aussieht und funktioniert.
Sieh also diese Garn-Übersicht als Hilfestellung bei der Suche des richtigen Garns. Und zwar erst, nachdem du dich für ein Modell entschieden hast. Und falls du noch mehr oder eine andere Auswahl an Garnen brauchst, kannst dich du hier informieren: Der Sommer kann kommen: Stricken mit gelben Sommergarnen .
Dann lass uns ins Thema eintauchen.
Darum geht es hier
Baumwolle
Wieso besteht viele Kleidungsstücke im Sommer hauptsächlich aus Baumwolle?
Das liegt zum einen daran, dass es kaum eine andere Faser gibt, die so viel Feuchtigkeit aufnehmen kann wie Baumwolle: 10-15%. Außerdem sind die Fasern sehr robust und halten sogar heißes Waschen und Bügeln aus.
Für viele Strickerinnen haben die angebotenen Baumwollgarne leider ein paar Nachteile:
- wenig elastisch, was das Bremsen des Fadens über der Hand anstrengend und schmerzhaft machen kann
- die Strickteile „wachsen“ oft beim Stricken und Tragen, gerade wegen der geringen Elastizität
Ein Trick gegen diese mangelnde Dehnbarkeit kann eine minimale Zugabe von Elasthan oder anderen Kunstfasern sein. Zum Beispiel bei Lana Grossa ELASTICO werden den 96 % Baumwolle noch 4 % Polyester (elité) zugefügt. Oder das Garn AMIRA von Lang Yarns mit 93 % Baumwolle und 7 % Polyamid. Mehr muss es auch gar nicht sein.
Trotz dieses Mankos (wenig elastisch) ist Baumwolle der Klassiker unter den sommerlichen Strickgarnen. Sie ist angenehm kühl, glatt und glänzend (wenn sie „mercerisiert“ wurde).
Du könntest für ein schlichtes Modell wie eine graue Strickjacke durchaus ein Garn mit einer ungewöhnlicheren Struktur ausprobieren! Wie wäre es mit einem Baumwoll-Bändchengarn oder Kettengarn? Denn dabei entstehen neue Strukturen und eine andere Optik als beim typischen Topflappengarn.
Hier siehst du einige Kettengarn Beispiele:
Und hier einige Garne, bei denen das Garn dir „Arbeit“ abnimmt. Denn die Musterung entsteht fast von selbst durch die Bändchenform, Flammen oder durch gewollte Dick- und Dünnstellen.
Baumwolle mit Viskose
Viskose bzw. Modal bzw. Lyocell stammt zwar ursprünglich aus Pflanzen. Allerdings wird die Zellulose erst durch einen komplexen chemischen Prozess zu einem Faden. Das Ganze funktioniert nach dem Prinzip der schwäbischen Spätzle-Presse. Pampe rein, dann durch eine Metallplatte mit vielen kleinen Löchern gedrückt und in einer Flüssigkeit in dieser Form erstarrt.
Die Viskose kann durch die Form der Löcher in dieser Metallplatte unterschiedlich gestaltet werden – das ist der Unterschied zu einer Naturfaser. Sie ist zwar ähnlich gut absorbierend, kann aber ganz andere Faser- und Garnstrukturen haben als Baumwolle.
Oder man starten gleich mit einem der zahlreichen Baumwoll-Mischgarne, die einige Nachteile reiner Baumwollgarne ausgleichen können. Vorteile sind außerdem der Glanz der Viskose und die flotte Glättung nach dem Knittern.
Alle drei Formen der Viskose sind schon für sich super angenehm zu tragen bei sommerlichen Temperaturen. In den Mischungen mit Baumwolle ist das ähnlich, eins verbessert sich leider nicht: die Elastizität.
Leinengarne
Leinen war für Mitteleuropäer lange vor Ankunft der Baumwolle die Sommerfaser schlechthin. Kühl und fest, weicher werdend beim Tragen und quasi unkaputtbar. Und damit sehr nachhaltig.
Das Färben der Fasern ist zwar aufwändig, die Farben allerdings sehr widerstandfähig und lichtecht über viele Jahre. Heute ist diese als Indanthren bezeichnete Färbung kaum noch bekannt.
Die edel glänzenden Garne sind außerdem recht teuer. Und leider auch rar, aber dank Online-Wollshops doch zu bekommen. Ich habe hier ein paar Alternativen zusammengestellt.
Leinen mit Baumwolle
Vor allem bei Leinenmischungen gilt: diese Garne sollten nicht in eng anliegenden Kleidungsstücken verwendet werden, sondern in locker geschnittenen. Ausgebeulte Taschen, Schulter- und Ellenbogenbereiche mag keiner. Bitte berücksichtige das bei deiner Wahl.
Kaschmir mit Baumwolle
Interessant und gar nicht mehr so selten sind Garne, bei denen die Baumwolle mit Wolle, Alpaka oder Kaschmir gemischt wird. Ziel ist ein weicheres Garn, mit etwas mehr Elastizität und dank Baumwolle sommerlich-angenehm.
Bei traditionelle Spinn-Techniken gab es früher oft Probleme wegen der sehr unterschiedlichen Faserlängen. Generell kann man sagen, dass pflanzliche Fasern eher kurz sind. Tierische Fasern können dagegen lang bis sehr lang sein.
Besonders edel kommen die Garne mit Beimischung von Kaschmir daher, weicher wird es dadurch kaum (meistens enthält das Garn nur 10 % Kaschmir). Angenehmer zu stricken ist es aber sicherlich, also: probier’s mal aus.
Alpaka für den Sommer
Alpaka kennst du bestimmt! Das Wohlfühl-Garn mit der besonderen Glätte, Glanz und Festigkeit. Aber für den Sommer? Das ist gar nicht so verkehrt, denn die Natur hat der Alpakawolle eine Menge Eigenschaften mitgegeben, die wir uns im Sommer zunutze machen können.
Die Tiere, eine neuweltliche Verwandtschaft zum Kamel, sind ursprünglich in den Anden zu Hause. Vor allem in den Höhenlagen kann der Unterschied zwischen Tagtemperatur (+20°C ) und Nachttemperatur (-10°C) schnell an die 30°C betragen kann.
Ein täglicher Fellwechsel ist nicht vorgesehen, aber das Alpaka hilft sich anderweitig. Seine Wolle ist durch ihrer Hohlfasern extrem gut geeignet für das kurzfristige Ausgleichen von Temperaturen.
Alpaka mit Baumwolle
Alpakafasern können durch diesen Strohhalm-Effekt (Hohlfaser) auch Feuchtigkeit schnell vom Körper wegleiten. Und durch die antibakterielle Wirkung wird außerdem verhindert, dass es beim Schwitzen anfängt zu miefen.
In der Verbindung mit Baumwolle eine super Kombination für sommerliches Stricken. Allerdings: Alpaka ist nicht so dehnbar wie Wolle oder Kaschmir und leiert etwas aus. Das musst du bei der Wahl der Strickjacke berücksichtigen, sonst hast du am Ende einen Mantel.
Wolle für den Sommer
Und nun auch noch Wolle für den Sommer?! Natürlich meine ich Wollgarne aus sehr feiner und sehr glatter Wolle. Wie zum Beispiel das weit bekannte Merino, aber auch exklusivere Sorten wie Blue-Faced Leicester.
Diese Fasern werden im sogenannten Kammgarn-Verfahren zu feinen, glatten Garnen gesponnen. Die kurzen Fasern werden dabei noch vor dem Spinnen ausgekämmt. Das Wollgarn ist im Vergleich zu einem wärmeren Winter-Wollgarn
- glatter
- glänzender
- weniger haarig
- dünner ausgesponnen
Genauso gut bleiben bei der Sommerwolle (manchmal auch als Cool Wool bezeichnet) aber diese wichtigen Eigenschaften:
- extrem gute Feuchtigkeitsaufnahme (bis zu 20%)
- sehr gute Knittererholung (erspart Bügeln bei hoher Außentemperatur)
- geringe Schmutzaufnahme
Wolle mit Baumwolle
Eine interessante Kombination aus den zwei sehr verschiedenen Fasertypen Wolle und Baumwolle. Elastisch die Wolle, unelatisch die Baumwolle. Wärmend die Wolle, kühlend die Baumwolle.
Sehr populär sind inzwischen auch hier die Kettengarne. In einen dünnen Strickschlauch, meist aus sehr dünnem Baumwollgarn, werden Wollfasern eingeblasen und verwirbelt.
Die entstandene Struktur ist voluminös, gleichzeitig aber leicht und offen. Ideal, wenn deine Sommer-Strickjacke schön fluffig werden soll.
Wolle mit Baumwolle und/oder sonstige Fasern
Und wenn man (als Garnhersteller) schon am Mischen ist, kann es gleich weitergehen. Mit Alpaka oder Kaschmir für die Hauch Luxus, der durch ein weicheren Griff und Glanz erzielt werden.
Oder durch eine Kunstfaser, die Festigkeit und Volumen erhöht, aber nicht das Gewicht. Das ist vor allem bei voluminösen Garnen wichtig.
Seide
Reine Seide zu verstricken kann etwas mühsam sein. Selbst wenn du als Strickgarn keine klassische Haspelseide verwenden wirst. Denn diese sehr glatten, glänzenden Endlosfäden werden verwebt, nicht verstrickt.
Was du kaufen kannst, sind die sogenannten Wild- oder Bouretteseide. Nicht so glänzend und glatt, aber mit diesen Eigenschaften, die Seide auszeichnen:
- geringen Knitterneigung
- fest und gleichzeitig elastisch
- gute Saugfähigkeit (nimmt Feuchtigkeit gut auf und trocknet wieder schnell)
Hier zwei Beispiele für 100% Seide zum Stricken, auf den Bildern ist schon zu erkennen, dass der Glanz eher gering ist. Das liegt auch an der stark strukturierten Oberfläche des Garnes.
Leider wird alles, was für eine gute Tauglichkeit als Sommergarn spricht, ausgehebelt. Denn Seide mag kein grelles (UV) Licht und weder starke Laugen (Wasser + Waschmittel), noch Säuren noch Körperschweiß. Dadurch wird die Pflege ziemlich aufwändig. Nur sanfte Handwäsche funktioniert, oder in die Reinigung geben.
Das ist auch der Grund, warum die meisten Seidengarne zum Stricken mit anderen Fasern gemischt werden.
Seide mit Wolle
Durch das Mischen von Seide und Merino-Wolle erhält man eine gleichmäßige Oberfläche. Diese Garne sind angenehm zu verstricken, durch den Wollanteil werden Dehnung und Anschmutz-Verhalten deutlich verbessert. Eine echte Win-Win Situation.
Seide mit Alpaka
Wenn sich zur Seide anstatt der Wolle Alpaka gesellt, wird das Garn deutlich edler. Alpaka hat von Haus aus einen höheren Glanz und ergänzt den Seidenglanz besser als die nur matt glänzende Wolle.
Wieso haben Glanz und Glätte miteinander zu tun? Eine glattere Oberfläche reflektiert das Licht gleichmäßiger. Diese Lichtstrahlen fallen sozusagen gebündelt auf unsere Netzhaut, geben also ein intensiveres Signal. Den Extremfall kennst du bereits Sonnenlicht auf einer Glasscheibe, welches dich (fast) blendet.
Je glatter also die Garn- und Faseroberfläche, umso stärker ist diese Lichreflektion. Und je glänzender, umso intensiver erscheint auch Farbton und Farbtiefe.
Seide mit Viskose, Baumwolle, Leinen
Der Glanz spielt hier die Hauptrolle. In der Kombination mit pflanzlichen Fasern bekommt die Seide dabei gute „Unterstützung“. Sommerlich und luftig, mit guter Aufnahme von Feuchtigkeit (vom Schwitzen). Robuster wird die Seide auch, allerdings ist trotzdem allerhöchstens eine Handwäsche möglich.
Fantasie-Mischungen
Dann kommen wir am Ende noch zu den Mode-Garnen. Hier setzen gefühlt die Hersteller ihrer Fantasie keine Grenzen. Sowohl, was die Zusammensetzung als auch die Textur anbetrifft – ungewöhnlich kommt an.
Garne mit Yakfasern bzw. Kaschmir
Hast du schon mal etwas von Yak gehört? Diese asiatische Hochland- Rinderrasse hat durch ihre Anpassung an des raue Klima ein wunderbar weiches und feines Unterfell, dass mit dem der Kaschmirziegen mithalten kann.
Für den Sommer sollte allerdings nur ein kleines Prozentsatz Yakfasern im Garn sein, sonst wird es insgesamt viel zu kuschelig und wärmend. Hier ein paar eher luftige Bändchengarne mit Yak und Kaschmir.
Leinenartige mit wenig Leinen und viel Viskose
Unter der Rubrik Leinen (Anker setzen) hatten sich schon einige Artgenossen vorgestellt, hier kommt nun die günstigere Variante.
Denn Viskose lässt sich so ausspinnen, dass sie ähnlich aussieht wie Leinen. Gemischt mit echtem Leinen wird sie dann zu einem Garn kombiniert, das optisch wirklich auch wie Leinen aussieht. Dabei aber günstiger und besser zu verarbeiten ist.
Glitzernde Sommergarne (mit Metallfaden)
Falls du es gerne ein bisschen glitzern lassen möchtest, habe ich noch zwei Optionen für dich. In der Kombination graues Garn mit silbernem Faden ist der Glitzer-Effekt sehr dezent. Wenn du eine Strickjacke machen möchtest, die auch für‘s Ausgehen geeignet ist, wäre da vielleicht etwas für dich dabei.
Fazit
Das richtige Garn für dein Strickprojekt „Graue Strickjacke“ zu finden, sollte kein Entscheidungskampf sein. Die Übersicht hier soll eine Hilfestellung für dich sein, nachdem du dich für ein Jackenmodell entschieden hast. Sie fasst auch die typischen Garn-Eigenschaften zusammen, um dir die Vorauswahl zu erleichtern.
Wähle, wenn möglich das Original-Garn aus der Anleitung. Oder du findest ein Garn, dass demjenigen sehr ähnlich ist. Wenn du ein ganz andersartiges Garn verwendest, wird das Ergebnis vielleicht eine Enttäuschung. Und das wäre schade.
Übersicht der Garnhersteller
Damit du deine „Traumwolle“ findest, habe ich dir hier in der Übersicht die Websites der Garnhersteller gemacht. Meist findest du dort auch die Bezugsquellen.
Austermann (Deutschland)
BC Garne (Dänemark)
De Rerum Natura (Frankreich)
Drops Garne (Norwegen)
Erika Knight (Großbritannien)
GGH (Deutschland)
Karen Noe Design (Dänemark)
Katia (Spanien)
Kremke (Deutschland)
Lamana (Deutschland)
Lana Grossa (Deutschland)
Lang Yarns (Schweiz)
Malabrigo (Uruguay)
Pascuali (Deutschland)
Rico Design (Deutschland)
Rosy Green Wool (Deutschland)
Rowan (Großbritannien)
Schoppel (Deutschland)
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GRAUE STRICKJACKEN: große Auswahl zum Stricken für Frühjahr und Sommer
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