Eine selbst gestrickte graue Strickjacke: ein zentrales Element deiner Grundgarderobe, denn sie ist vielseitig nutzbar. Zuerst entscheidest du, zu welchen Gelegenheiten du einen grauen Cardigan für Frühjahr und Sommer brauchst. Anschließend wählst du Schnitt, Design und den Grauton, der dir am besten gefällt.
Zugegeben: Es gibt eine enorme Palette an interessanten Designs und meine Auswahl ist von persönlichen Präferenzen geprägt. Ich möchte diese Gelegenheit nämlich auch nutzen, dir ein paar der DesignerInnen vorzustellen. Vor allem diejenigen, durch deren Designs ich auf die Idee kann, über graue Strickjacken zu schreiben.
Die DesignerInnen haben jeweils ganz unterschiedliche Repertoires. Dadurch haben wir die Gelegenheit, viele verschiedene Strickjacken-Stile kennenzulernen. Von streng geknöpft bis lässig und offen: so viel ist möglich!
Ich hoffe, du entdeckst (d)ein neues Lieblingsmodell. Vielleicht fühlst du dich so inspiriert, dass du gleich loslegen willst. Kein Problem. Denn viele der gezeigten Anleitungen sind über Ravelry (und andere) zum sofortigen Download verfügbar…für die Ungeduldigen unter uns.
Der klassische Cardigan
Die klassische Form hat immer eine Knopfleiste. Meistens mit mehreren kleinen Knöpfen, um Spielraum zu geben für bequemes Tragen. Die Idee: vorne zu, je nach Bedarf und einfacher anzuziehen als ein Pullover.
Je nach Design kann der Bereich der Knopfleiste im Hintergrund stehen, dann fällt sie geschlossen kaum ins Auge. Oder sie ist der Fokus, dann ist sie meistens breiter gearbeitet und in einem kontrastierenden Muster. Typisch ist die gerippte Blende an der glatt rechts gestrickten Jacke.
Ein großes Unterscheidungskriterium ist die Form des Ausschnitts. Nicht nur optisch, sondern auch für dich als Strickerin. Denn der sogenannte Rundhals-Ausschnitt ist deutlich einfacher zu stricken als der V-Ausschnitt.
Es ist schon schwierig genug, die Abnahmen exakt über die größere Strecke hinzubekommen. Aus beiden Abnahmekanten (rechtes und linkes Vorderteil) sehr gleichmäßig Maschen aufzunehmen, ist echt herausfordernd. Besonders für Anfängerinnen kann das zu großem Frust führen.
Der Vorteil vom V-Ausschnitt ist, dass man die darunter hervorblitzende Kleidung besser sieht. Und wenn du gerne Blusen trägst, weißt du sicherlich zu schätzen, dass der Blusenkragen nicht verknuddelt wird.
Typisch für die klassische Form ist auch die Schulternaht, die funktional ist. Gerade bei dicker Wolle solltest du das Gewicht bedenken, dass dir von den Schultern herabhängt. Die Schulternaht verhindert, dass sich das Gestrick immer weiter aushängt und längt. Sitzt die Naht an der richtigen Stelle, gibt es auch keinen Druck auf die empfindlichen Schulterknochen.
Die Ärmel sind eingesetzt, d.h. sie haben oben ein mondförmiges ausgebuchtetes Ende. Das passt genau in die an Vorderteilen und Rückenteil ausgesparten Armlöcher. Zumindest ist das der Plan. Der große Vorteil: die Bewegungsfreiheit der Arme ist deutlich höher als beim gerade angesetzten Ärmel.
Hier nun ein paar Modelle, die so richtig schön klassisch daherkommen.
Amy Christoffers FARMHOUSE CARDIGAN, Kim Hargreaves WISHED
Cardigan-Form mit Oberflächenstruktur
Diese schlichte Form schreit nun förmlich danach, auf ihr muster-wild zu gehen. Das sehen auch viele DesignerInnen so und nutzen den Strickcardigan als Leinwand für ihre Ideen. Du hast die (Qual der) Wahl, wenn du gerne Strukturmuster strickst.
Es ist erstaunlich, was sich einfach nur durch den Wechsel von rechten und linken Maschen alles ergeben kann! Prinzipiell auch für Strick-Neulinge, falls man keine Angst vor dem Mitzählen hat.
Hier einige Ideen zu Jacken mit ganz einfachen Strukturmustern: Kraus rechts, Rippenmuster, Schachbrettmuster.
Ankestrick GIRLFRIEND CARDIGAN ANKE, Anne B Hanssen GREY DAYS CARDIGAN
Für die versierten Strickerinnen gibt es dann (fast unendlich) viel Auswahl an Struktur, Zopf- und Lochmuster. Du siehst deutlich: damit die Muster in den Vordergrund treten können, braucht es eine neutrale Farbe.
Stöhnst du schon jetzt wegen der großen Auswahl? Diese coole Entscheidungshilfe samt Checkliste habe ich erstellt, um es einfacher zu machen. Einfach die Modell-Bilder mithilfe Checkliste Punkt für Punkt durchgehen. Dadurch kannst du schneller sehen, was dich anspricht und was dir gefällt.
Bitte beachte auch, dass die Helligkeit des Grautons eine entscheidende Rolle spielt. Zum einen beim Stricken, damit du gut erkennen kannst, was du gerade machst. Zum anderen soll das Muster in der fertigen Jacke auch erkennbar sein.
Besonders schick finde ich, wenn Zopfmuster in den Blenden und Bündchen auftauchen. Oder wenn der Verlauf von Ausschnitts-Linien mit der Musterung übereinstimmt. Das ist dann allerdings die ‚hohe Schule‘.
Michele Wang/Brooklyn Tweed FAIRFIELD, Hannah Fettig PIERSIDE CARDIGAN
Cardigan-Form am Stück gestrickt
Noch gar nicht lange kenne ich diese abgewandelte Form. Davor kannte nur die klassischen Island-Lopi-Wolle Pullover mit der typischen Rundpasse als am-Stück-gestrickt. Doch inzwischen haben kreative Leute außerdem Modelle entwickelt, bei denen Raglan, Sattelschulter oder eingesetzter Ärmel simuliert werden.
Die Wirkung ist verblüffend realistisch. Aber anstatt aufwändigen Zusammennähens und Einpassens nach dem Stricken geht man andersherum vor. Die Strickjacke wird am Halsausschnitt begonnen, dann kommt der Schulterbereich dran.
Anschließend werden die Maschen in Vorderteile, Rückenteil und Ärmel aufgeteilt. Der Rumpf wird meistens an einem Stück gestrickt, die zwei Ärmel daran. Cool ist, dass die Ärmellänge bei dieser Methode ganz einfach anzupassen ist. Und probiert werden kann auch während des Strickens.
Einen Nachteil gibt es allerdings. Wenn die Wolle zu dick und schwer ist, hängt sich der Schulterbereich aus, weil ihm die stabilisierende Schulternaht fehlt. Für leichte Cardigans, wie du sie im Frühjahr und Sommer eher trägst, ist das aber oft kein Problem.
Ausnahme: das klassische Baumwoll-Topflappengarn solltest du so nicht verstricken!
Isabell Kraemer JAYCEE, Lene Holme Samsoe DAHLIA CARDIGAN
Cardigan Lange Form
Der Übergang von Jacke zur Langjacke und zum Mantel ist fließend. Meistens sind die längeren Bereiche gerade gestrickt, d.h. die Länge lässt sich relativ einfach an deine Präferenz anpassen.
Längere Schnitte haben für manche Figurtypen einfach genau das, was hilft: es wird optisch gestreckt, kaschiert, überspielt. Aber wie bei allen anderen Formen gilt: es sollte für dich passen.
Und eine gute Grundform wie diese drei Modelle kann genau das: sie wachsen und schrumpfen mit der Strickerin aka Trägerin. Schau dir dazu mal die Ravelry Bilder beim jeweiligen Modell an.
Katrin Schneider JOHANNE, Ankestrick NAIMA
Verschlusslose Cardigans mit und ohne Blende
Nun reduzieren wir die Form noch etwas weiter und lassen die Knöpfe und Knopflöcher weg. Wenn du gerne offene Strickjacken trägst, in die du dich einwickeln kannst: umso besser. Das lästige Knopfannähen und Knopflöcher einstricken bleibt dir erspart.
Dass die Jacke vorne nicht mehr geschlossen werden muss, gibt dafür neue Möglichkeiten. Breite Blenden können locker nach außen fallen, zum sogenannten Wasserfall Ausschnitt.
Oder die Blenden können komplett entfallen. Das funktioniert, wenn der Kantenbereich gleich so gestrickt wird, dass er sich nicht einrollt, z. Bsp. durch ein Rippenmuster.
In der Kombination verschlusslos, länger und mit Taschen sind sie meine absoluten Tragefavoriten. Schnell übergeworfen, Figur schmeichelnd und superbequem. In der leichten, flauschigen Variante sogar sommer-tauglich für unsere Breitengrade.
Hannah Fettig EFFORTLESS CARDIGAN, Heidi Kirrmaier STORM MOUNTAIN
Cardigans in Sonderformen
Und noch ein paar weitere Ideen für dich, falls bis jetzt nichts dabei war, was dich anlacht. Denn die graue Strickjacke ist noch weiter verwandlungsfähig.
Durch Verkreuzen oder Überkreuzen der Vorderteile zum Beispiel. Schließlich müssen Verschlüsse nicht immer genau vertikal verlaufen. Vielleicht möchtest du bei einem sonst schlichten Modell etwas mehr Pepp haben? Wenn du dafür etwas Mehraufwand in Kauf nimmst, kann dabei so etwas Ungewöhnliches herauskommen.
Julia Allen ANTHROPOLGIE-INSPIRED CAPELET MUSE, Chris Berlin HOAR CARDIGAN
Wenn du meist sowieso nur einen oder ein paar Knöpfe schließt, kannst du das im Strickmodell gleich so einplanen. Warum auch 7 Knopflöcher machen, wenn du nur eigentlich 2 brauchst?! Und wenn das dann auch noch beim Design der Strickjacke schon so geplant ist, umso besser.
Chris Berlin SPREADING BRAIDS, Carrie Bostick Hoge CHARLOTTE LIGHT CARDIGAN
Cardigans mit durchbrochener Oberfläche
Und was wäre eine Strickjacke für die wärmeren Tage ohne ein bisschen Durchlass für frische Luft. Gerade jetzt bietet es sich an, mit Lochmustern zu arbeiten.
Zugegeben, die Muster sind meistens etwas zeitaufwendig. Und das Kontrollieren und Zählen ist meistens unvermeidlich. Während du strickst, können dir Maschenmarkierer helfen, die Musterrapporte im Überblick zu behalten.
Es gibt auch das System der Lifeline – einem stabilen, glatten Faden, den du bei größeren Rapporten in immer den gleichen Reihen in die Maschen einziehst. Das machst du mithilfe einer Sticknadel mit abgerundeter Spitze. So weißt du genau, wo du bist, wenn mal ein paar Reihen „zurück“ gestrickt werden muss. Ich liebe diesen Trick.
Hier habe ich ein paar nicht so komplex gemusterte ausgewählt, die trotzdem wirken.
Amy Herzog/Brooklyn Tweed ASILOMAR, Hannah Fettig SILVER LEAF CARDI
Dekorative Elemente
Im Blogartikel Graue Strickjacken- selbst gestrickt und perfekt für deine Grundgarderobe habe ich ja schon erwähnt, dass du Gestaltungselemente einsetzen kannst. Nun möchte ich dir ein paar davon zeigen.
Wenn du nicht so der schlichte, geradlinige Typ bist, bist du vielleicht auch kein Fan einer schlichten Strickjacke. Vor allem bei der Designerin Kim Hargreaves findest du viele Modelle, die ihre Inspiration von der traditionellen Konfektion haben. Strickjacken mit Pattentaschen, Riegeln an den Ärmeln oder Schößchen.
Liebst du Taschen bei Jacken? Dann ergänze dein Lieblingsmodell noch damit. Ist zwar ein wenig fummelig, denn die einfache In-der-Seitennaht-Methode habe ich noch nirgend entdeckt. Aber der Aufwand lohnt sich, wenn du gerne deine Hände darin vergräbst oder was anderes.
Falls du es sportlich magst, könntest du deiner Strickjacke eine Kapuze hinzufügen. Wählst du ein Modell mit Reißverschluss, hast du sicher eine Strickjacke mit viel ‚Freizeit-Potential‘. Oft ist dazu noch ein extra Kragen angestrickt, der dann einen Schal ersetzen kann.
Du kannst dir auch gleich einen Bindegürtel dazu stricken, aus der gleichen Wolle. Oder einen Schal oder Loop, damit du die Jacke ganz variabel auch für längere Aufenthalte draußen einsetzen kannst.
Carrie Bostick Hoge LUCIA HOODIE, Kim Hargreaves DEVOTE
Zum Schluss
Du siehst, graue Strickjacken sind alles andere als langweilig. Sicherlich hast du hier Modelle entdeckt, die du so noch nicht auf dem Schirm hattest. Vielleicht war sogar deine neue Lieblings-Strickjacke dabei?
In der wärmeren Jahreszeit haben wir die Möglichkeit, mehr mit ungewöhnlichen Formen, offenen Strukturen und größeren Ausschnitten zu experimentieren. Denn es geht nicht an erster Stelle ums Einkuscheln und Warmhalten. Die rein funktionalen Aspekte einer Strickjacke bekommen also mehr Spielraum und den kannst und solltest du nutzen.
Probiere doch mal etwas Neues aus.
Vielleicht dein erstes Lochmuster? Oder wagst du dich an ein sportlicheres Modell mit Kapuze und Reißverschluss? Wenn du zu den ganz Mutigen gehörst, wird es eventuell sogar eine aufwändige Sonderform.
Fühle dich von diesen vielen verschiedenen Möglichkeiten nicht überwältigt, sondern sehe es wie das Frühstücksbuffet im Luxushotel. Alles kann, nichts muss!
Übersicht aller erwähnten Strickdesignerinnen und ihre Ravelry Profile
- Amy Christoffers
- Amy Herzog / Brooklyn Tweed
- AnkeStrick
- Carrie Bostick Hoge
- ChrisBerlin
- Hannah Fettig
- Heidi Kirrmaier
- Hinterm Stein
- Isabell Kraemer
- Julia Allen
- Katrin Schneider
- Kim Hargreaves
- Lene Holme Samsoe
- Michele Wang / Brooklyn Tweed
DIES IST DER ZWEITE BLOGARTIKEL IN DER MINISERIE „GRAUE STRICKJACKEN“
HIER KOMMST DU ZUM ERSTEN BLOGARTIKEL IN DER MINISERIE
„GRAUE STRICKJACKEN“: selbst gestrickt und perfekt für deine Grundgarderobe
HIER KOMMST DU ZUM DRITTEN BLOGARTIKEL IN DER MINISERIE
„GRAUE STRICKJACKEN“ stricken: die große Garn-Auswahl für Frühling und Sommer
Schreibe einen Kommentar