Kann es das geben? Wellness beim Stricken oder Wollness? Kann man wirklich entspannt stricken, auch wenn das so manche Anfängerin kaum glauben mag?
Wohlfühl-Stricken scheint gerade in hektischen Zeiten eine vielversprechende Idee zu sein. Etwas zu haben, bei dem man sich innerhalb kürzester Zeit und ziemlich sicher entspannen kann. Perfekt!
Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die behaupten, dieser Trend wäre nur ein Hype. Das nächste Hygge, sozusagen. Oder ein Oma-Hobby, aufgehübscht für die nächste Generation. Das sind nicht meine Worte!
Es lohnt auf jeden Fall, das Thema Stricken zur Entspannung oder kurz Wollness näher zu betrachten. Um die geeigneten Designs und Strickprojekte für sich zu entdecken. Und diejenigen Methoden zu finden, die zur Erholung vom Alltag führen. Eine spannende Entdeckungsreise.
Darum geht es hier
Meine ersten Erfahrungen
Für mich war Wollness zu Anfang der Gedanke an Gestricktes für meine Wellness. Also selbst gestrickte Kleidung, die ich beim Wohlfühlen zu Hause tragen würde.
Lässige Jacken ohne Verschluss und fluffige Kuschelsocken ohne schwierige Fersen. Eingehüllt in einen wuschel-weichen Überwurf, den ich natürlich auch selbst gestrickt hätte. Probleme bei diesem Ansatz gab es gleich mehrere.
Ich „wellnesse“ nicht, genauer gesagt, ich zelebriere Wellness nicht zu Hause und auch nicht in teuren SPAs oder Hotels. Viele der vorgeschlagenen Teile brauche ich daher nicht, zumindest nicht als super-flauschige Varianten.
Zum anderen kamen die vorgeschlagenen Materialien für mich oft nicht infrage. Pastell- und sanfte Naturtöne mögen schön auf Fotos aussehen, mich machen sie leichenblass.
Und so herrlich sich auch der Griff in einen Überwurf aus reinem Kaschmir anfühlen wird, erlaubt mein Budget keine Materialkosten von mehreren hundert Euro dafür.
Die vorgeschlagenen Modelle machten fürs Wellness-Stricken durchaus Sinn. Gerade Teile, wenige bis keine Nähte und meist glatt rechts oder kraus rechts gestrickt. Und damit es schnell geht, super-bulky, also sehr dicke Wolle (Nadelstärke 8, 10 oder sogar 12).
Da sieht man schnell einen Erfolg und muss sich gar nicht groß dabei anstrengen. Allerdings ist das Ergebnis aufgrund dieser begrenzten Musterung und der fehlenden Zunahmen und Abnahmen vorwiegend ein schlecht passendes oder oversized Kleidungsstück, das zudem noch extrem dick ist. Wenn du in einer geheizten Wohnung lebst, weißt du, dass man so etwas eher selten benötigt.
Und noch ein Nachteil bei sehr dicker Wolle: die kurze Lauflänge, also die Länge von Garn in einem Knäuel. Das bedeutet, dass es viele (dicke) Fadenenden zu vernähen gibt.
Allerdings ging mir ein Licht auf, trotz dieser eher abschreckenden Aufzählung. Denn das Genießen beim und wegen des Strickens war zwar immer ein Teil der Erfahrung, aber ich hatte mir das nicht so richtig bewusst gemacht.
Und nur allzu gerne habe ich weiche und kuschelige Wolle beim Stricken in den Händen. Und dann noch die angenehm leichten und warmen Holznadeln dazu. Herrlich.
Überhaupt ist das Thema „Haptik“ eine der zentralen Erfahrungen beim Stricken und das „Haben will“ Erlebnis für viele Strickerinnen.
Die Learnings
Nun ist es wichtig, Lehren aus diesen Erfahrungen zu ziehen. Und die können, ja dürfen bei jedem anders aussehen. Denn es geht ja darum, herauszufinden, was Wollness für dich eigentlich bedeutet.
Meine Erkenntnisse schildere ich darum exemplarisch.
Entspannung
Was entspannt mich und senkt meinen Puls und Atemfrequenz beim Stricken? Aufribbeln ist es jedenfalls nicht. Sondern:
- Der Ablauf des Strickprojektes ist einfach, vorhersagbar und bekannt
- Die eingesetzte Technik geht mir leicht von der Hand
- Einfache Musterungen, die sich nach kurzer Zeit eingeprägt haben
- Keine Umrechnungen nötig für spezielle Passform oder weil ich ein ganz anderes Garn verwende als vorgegeben
- Wenig oder einfaches Zählen für Zunahmen oder Abnahmen
- Es muss nicht „genau“ passen
- Wenig oder keine Nähte
Langeweile
Hingegen hilft es mir überhaupt nicht, zu relaxen, wenn ich mich beim Stricken langweile. Sprich die klassische Unterforderung. Es passiert nämlich dann, dass ich Strickprojekte nicht fertigstelle, weil sie mich langweilen.
Da können sogenannte meditative Musterungen helfen. Kleine Rapporte, also Wiederholungen nach wenigen Maschen und Reihen. Das können rechts-links-Muster sein, aber auch kleine Fair-Isle Muster, da traditionell nie mehr als zwei Farben auf einmal gestrickt werden.
Ebenso sind die symmetrischen Sterne, Zacken und das Läusemuster in skandinavischen Designs etwas mit einer meditativen Wirkung auf mich.
Projekt-Auswahl
Es gibt eigentlich nur drei Kriterien, die ich für die Auswahl eines entspannenden Strick-Projekts berücksichtigen müssen.
- Es muss schnell umsetzbar sein: Wolle, Nadeln und Zubehör vorhanden oder schnell herzubekommen
- Die Anleitung muss für mich als visuellen Lerntyp übersichtlich und möglichst farbig gestaltet sein (wenn ich da wenig machen muss, ist das ein echter Bonus)
- Um das richtige Momentum zum Starten zu haben, brauche ich einen gewissen Wunsch, ein „Haben will“
Diese Kriterien sind subjektiv und daher für jeden etwas anders. Vor allem ergeben sie sich aus den persönlichen Erfahrungen und können sich verändern. Das erste Sockenpaar war für mich damals nicht sehr entspannend.
Wollness ist, was du daraus machst
Wenn ich dir diesen Rat an der Stelle geben darf. Die Frage, was dich beim Stricken entspannt, kannst nur du beantworten. Es gibt da kein richtig und kein falsch.
Und wenn du es (noch) nicht weißt, hilft dir vielleicht, in Zukunft eine kleine Notiz zu machen zu jedem Strickprojekt. Wie eine Art Stimmungsbarometer, mit dem du deine Strickarbeiten kommentierst. Am besten legst du dafür ein kleines Notizbuch zu oder speicherst die Kommentare (geschrieben oder gesprochen) auf deinem Handy.
Es geht hier nicht darum, aufzuschreiben, was du gemacht hast. Sondern wie du dich dabei gefühlt hast – und wenn du magst, warum das so ist oder war.
Eine interessante Frage, die du dir in diesem Zusammenhang stellen kannst, ist die nach deiner Fehlertoleranz. Denn wie man mit Fehler umgeht, kann gehörigen Stress verursachen und den Wunsch nach Entspannung zunichtemachen.
- Wie schlimm ist es für mich, bei einem Fehler zurückzustricken respektive aufzuribbeln?
- Verursacht es mir Stress, den Fehler einfach drin zu lassen?
- Ist das Muster, dass ich stricke, kontroll-intensiv? Führt dieses regelmäßige Kontrollieren bei mir zu Anspannung?
Es geht hier nicht um Perfektionismus, von dem wir immer wieder hören, er wäre etwas Schlechtes. Sondern es geht darum, das Niveau von Fehlerfreiheit zu finden, mit dem du dich (noch) wohlfühlst.
Wenn du diese Fragen beantwortet hast, dann weißt du, was für dich als Strick-Entspannungsprojekt funktionieren wird.
Tipp 1
Halte dir mindestens ein solches Projekt immer griffbereit. Etwas, in das du jederzeit einsteigen kannst, wenn du gerade bei einem anderen Strickprojekt, nennen wir es Projekt X, eine Pause brauchst. Und bitte, erlaube dir das auch. Du wirst dich wundern, wie schnell du deinen „Mojo“ wieder findest und dann relaxt beim Projekt X erneut den Faden aufnehmen kannst.
Tipp 2
Idealerweise hast du für die Relax-Projekte immer Wolle und Anleitungen vorbereitet. Und wenn es sich um Sachen handelt, die du für andere strickst, sind kleine Maßtabellen hilfreich, die du dir (im Vorfeld) von dieser(n) Person(en) angelegt hast.
Tipp 3
Nutze andere „Hilfsmittel“, die dir helfen, in einen entspannten Zustand zu kommen. Ist das besondere Musik, ein spezielles Getränk / Snack oder ein stimmungsvoller Duft? Unterstütze dein Wollness-Strick damit und vermeide Negatives. Das könnte auch bedeuten, dass du, ganz bewusst, bestimmte TV- oder Radioprogramme in dieser Zeit ausschaltest.
Fazit
Stricken zur Erholung und Entspannung ist der Wunsch vieler Strickerinnen. Zu Anfang solltest du für dich klären, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Das ist nämlich bei jedem ein wenig anders. Wollness stricken bedeutet nicht, Strickprojekte für den Wellnessbereich zu stricken. Sondern um Projekte, die dir leicht von der Hand gehen, ohne dich zu langweilen. Probiere es einfach mal aus.
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