Ich bin immer wieder erstaunt, wie oft die Wörter „Socken stricken“ und „Socken stricken lernen“ gegoogelt wird. Anscheinend aber nicht von Journalisten, die nach wie vor der Ansicht sind, dass Stricken von Socken nur etwas für Omas ist, die anderen etwas Gutes tun möchten.
Prinzipiell ist dagegen auch nichts einzuwenden. Weder, dass Oma zu sein nicht etwas Wunderbares sein könnte. Noch, dass es zu viele gute Taten geben könnte oder sie nicht erwähnenswert wären.
Aber ich frage mich: Ist Socken stricken eine über- oder unterschätzte Stricktechnik?
Wo bleiben wir anderen (Socken)Strickerinnen in diesem verbogenen Bild, diesem Klischee? Warum entsteht in vielen Köpfen bei der Erwähnung der Worte „Socken“ und „selbstgestrickt“ sofort das Bild einer nadel-schwingenden alten Frau? Es ist kein Wunder, dass sich viele nicht aus der Deckung trauen. Oder sie haken im Kopf das Thema Socken stricken gleich mal als uninteressant ab.
Möglicherweise ist es auch das andere, inzwischen auf Instagram weit verbreitete Image von der coolen jungen Frau, mit Kaffeetasse auf dem Bett sitzend. Zu allem Überfluss mit handgestrickten XL-Socken an den endlos scheinenden Beinen. Ich frage mich allerdings, wie realistisch dieses Bild von der strickenden Influencerin ist!? Zumal die Socken so dick und überdimensioniert sind, dass der Einsatz außerhalb der Wohnung unwahrscheinlich ist.
Darum geht es hier
Der Kuschel-Faktor
Eins haben diesen beide Bilder jedoch gemein. Sie vermitteln so etwas wie Muße, Entspannung und Gemütlichkeit. Zumindest das ist doch ein gutes, positives Bild vom Stricken, nicht wahr?
Es sind diese Dinge, die Menschen heute nicht mehr in ausreichendem Maß haben können oder wollen. Dabei wäre es so wichtig, einen Ausgleich zum hektischen Alltag zu haben und zur inneren Ruhe zu finden. Gerade das sehr rhythmisierte Stricken beim Arbeiten mit dem Nadelspiel hat etwas Beruhigendes, um nicht zu sagen Meditatives.
Eigentlich perfekt, gerade für gestresste Frauen, die ihr Leben zwischen Beruf, Familie und Haushalt jonglieren müssen. Wie schön, wenn man ganz einfach, hier und jetzt zu den entspannenden Nadeln greifen kann, anstatt zum Smartphone oder Tablet.
Glücklicherweise geht es bei den meisten Strickerinnen nicht mehr darum, die Familie mit warmen Socken und Strümpfen zu „versorgen“. Das konnte in früheren Zeiten schon mal eine überlebens-notwendige Aufgabe sein. Heute darf es Spaß machen und gerne auch ein bisschen länger (an)dauern.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Und dann diese Auswahl!
Ich komme ins Schwelgen, wenn ich an die Myriaden von wunderschönen, handgefärbten und waschmaschinenfesten Sockenwolle denke. Und auch die klassischen Sockenwolle-Hersteller haben immer wieder neue Farben, Muster und Zusammensetzungen anzubieten. Da entstehen wie von Geisterhand Ringel, niedliche oder komplexe Farbmuster aus einem einzigen Wollknäuel.


Neues ausprobieren
Das ist aber lange noch nicht alles! Unbekannte, pfiffige Techniken können beim Socken stricken ausprobiert, getestet und für gut (oder schlecht) befunden werden. Hast du schon einmal etwas vom Ringelstreifen als Helix gehört? Oder wusstest du, dass man Socken auch an den Zehenspitzen anfangen kann?
Macht nichts, schließlich gibt es beim Stricken immer was zu Lernen – da macht das Socken stricken keine Ausnahme.
Gibt es eine Technik, mit der du schon lange liebäugelst, dich aber nicht ran getraut hast? Vielleicht hast du dich in Fairisle Muster verguckt, oder wie ich in die filigran wirkenden Lace- und Ajourmuster.






Anstatt dich damit gleich an einer Stola oder einem Pullover herumzuschlagen: versuche es mal mit einer „Mini-Version“- einem Paar Socken. Und wenn es dann keinen Spaß macht oder komplizierter ist als gedacht, hält der Schaden sich in Grenzen.
Du hast keine Ideen, welche Art von Socken du stricken möchtest? Dann gib einfach bei Pinterest in der Suchanfrage „Socken stricken“ ein, oder lass dich von meinem Board „Socken und Strümpfe stricken“ inspirieren. Eine kleine Warnung an dieser Stelle: Zeitlochgefahr und Suchtpotential!

Lass uns mal an dieser Stelle einen kurzen Blick auf die Vor- und Nachteile werfen.
Vorteile des Socken-Strickens
Was du für ein Paar Socken benötigst, passt locker in die Durchschnitts-Handtasche. Die Nadeln plus Wolle sind super kompakt und können gut unterwegs mitgenommen werden. Natürlich brauchen sie auch bei dir zu Hause wenig Platz.
Im Vergleich zu anderen Strickprojekten sind Socken schnell hergestellt. Das ist perfekt, wenn du wenig zum Stricken kommst oder spätestens beim zweiten Ärmel die Lust verlierst. Vielleicht bist du auch ungeduldig, dann profitierst du vom raschen Erfolgserlebnis.
Weiter oben hatte ich es schon erwähnt: Socken sind ein tolles Medium, um eine neue Stricktechnik auszuprobieren. Meist sind es zwischen 40 und 60 Maschen pro Runde, d. h. du merkst sehr schnell, ob das etwas für dich ist oder nicht. Und wenn’s gut läuft, wirst du beim zweiten Socken schon den Lerneffekt merken.
Einen riesengroßen Vorteil finde ich, dass kaum Zeit und Arbeit nötig sind, um (nach dem Stricken) die Socken ganz fertigzustellen. Meistens sind es nur die Fäden vom Anschlag und Abketten, die vernäht werden müssen. Da der Wollverbrauch so gering ist, wirst du selten im Socken ein neues Garnknäuel beginnen müssen. Sogar, wenn du den Spitzenabschluss im Maschenstich machen möchtest, wird die Fertigstellung maximal 10–15 Minuten dauern.
Die kleine Garnmenge (ca. 100 gr.), die du für ein Paar Socken brauchst, bringt gleich ein paar Vorteile mit sich. Zum einen ist die Gefahr gering, dass deine Garnvorräte durch den Kauf überborden. Zum anderen hält sich die Geldausgabe in Grenzen: von ca. 6 Euro für einfache, gute Sockengarne bis ca. 25 Euro für handgefärbte Luxus-Sockenwolle.
Socken lassen sich durch deine Auswahl von Garn (Farbe und Qualität) und Muster und Größe sehr einfach personalisieren. Sehr praktisch: damit die Socken gut passen, reichen meist schon wenige, kleinere Anpassungen der Anleitung aus.
Socken bieten sich also als selbstgestricktes Geschenk förmlich an – anpassbar, flexibel, individuell und schnell fertig. Und ohne ein Vermögen dafür auszugeben.
Nachteile des Socken-Strickens
Leider gibt es auch ein paar Nachteile, die an dieser Stelle erwähnt werden sollen. Doch für die meisten gibt es Möglichkeiten, sie aus dem Weg zu räumen.
Das mit dem Image hatten wir ja schon geklärt. So viel Selbstsicherheit hast du!
Für absolute Strickneulinge ist Socken zu stricken wirklich nicht so gut geeignet.
Es kommen nämlich einige Techniken zum Einsatz, die eine gewisse Fingerfertigkeit erfordern. Zwar keine akrobatischen Kunststückchen, aber durchaus kniffelig. Für Ungeübte also nur mit viel Geduld oder Tricksen machbar. Wobei Tricksen nicht verboten ist!
Außerdem hat man zu Beginn seiner Strick-Karriere oft noch Schwierigkeiten mit der Fadenspannung – das ergibt nicht nur optisch ein Problem. Die gestrickten Maschen und Reihen variieren, was bei zwei gleichen Socken zu unterschiedlicher Weite und Länge führen kann.
Es ist zwar keine höhere Mathematik, aber trotzdem wichtig: Abnahmen und Zunahmen. Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass es für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen wichtig ist, zu wissen, was man da tut. SSK (slip, slip, knit) und Konsorten zu verstehen und konsequent immer gleich zu machen, sind die Voraussetzung dafür, dass die Socken-Zwillinge wirklich eineiig sind.
Grundsätzlich sind Sockengarne eher schlank, um nicht zu sagen dünn. Ebenso verhält es sich mit den Socken-Stricknadeln. Wenn du bis jetzt eher mit dickeren und voluminöseren Garnen gestrickt hast: Es ist eine Umstellung! Tendenziell hält man dünnere Nadeln etwas verkrampfter, um sie nicht zu verlieren. Auch die Bremsung des Fadens erfordert bei vielen Strickerinnen mehr und stärkere Kontrolle. Das alles kann zu Verkrampfungen in den Händen führen, vor allem zu Beginn.
Die relativ kleinen Maschen können für Strickerinnen mit Sehschwächen problematisch sein. Aber auch für Normalsichtige ist bei Nadelstärke 2,5 bis 3 genaueres Hinsehen nötig. Und das kann zu Verspannungen im Nacken führen, besonders, wenn man sich erst an diese Gegebenheiten gewöhnen muss.
Zu guter (oder schlechter) Letzt das Totschlag-Argument gegen’s Socken stricken: die vielen Nadeln, die klapper-dünn sind und auch noch 2 Spitzen pro Nadel haben. Dass man damit erfolgreich stricken kann, scheint von außen betrachtet fast eine magische Fähigkeit zu sein. Ist es aber definitiv nicht!
Die Frage, die es noch zu klären gilt:
Werden die technischen Schwierigkeiten eher über- oder unterschätzt?
Natürlich kann ich diese Frage nicht für dich persönlich beantworten. Aber ich sehe, dass viele „Probleme“, die Strickerinnen gegen Socken stricken ins Feld führen, lösbar sind.
⇨ Besonders hartnäckig hält sich die Meinung, man würde für das Socken stricken besonders biegsame Finger brauchen … vielleicht sogar ein paar Finger mehr als die üblichen 10. Oft entsteht dieser Eindruck, wenn man jemandem dabei zugeschaut hat. Es ist aber lediglich Übung! Und für die braucht es ein gutes Quantum an Zeit.
⇨ Dann hätten wir noch das „5-Nadel-Drama„, besser bekannt als Nadelspiel. Interessanterweise bezeichnet man die Nadeln im englischsprachigen Raum einzeln und als double-pointed needles (DPN). Sie kommen nämlich auch im 4-er Set vor und dadurch ist von vornherein eine Nadel weniger „im Spiel“.
Es gibt auch die Möglichkeit, auf Rundstricknadeln umzuschwenken. Dadurch sinkt die „Maschen-Verlier-Gefahr“ und man verkrampft sich schon deshalb weniger.
⇨ Zudem ist Sockenwolle fest gedreht, denn sie muss ja im täglichen Gebrauch so einiges aushalten. Darum kommt sie auch mit einer ruppigen Behandlung beim Stricken gut klar. Außerdem ist sie leicht aufzuribbeln, falls es nötig sein sollte.
⇨ Eine weitere Herausforderung ist die Dreidimensionalität eines Sockens. Klar sind das andere Kleidungsstücke auch! Aber meistens stricken wir flache Teile: das Vorderteil, das Rückenteil, die Ärmel. Und setzen sie erst nach dem Stricken zusammen.
Bei Socken startet man sofort mit einem Schlauch. Der verbreitert sich dann, während er eine elegante Kurve macht. Und zum Schluss werden so viele Maschen abgenommen, dass nur noch ein paar wenige (Maschen) auf den Nadeln übrig bleiben. Das ist schon irgendwie komisch.
Räumliches Vorstellungsvermögen hilft, ist allerdings keine Voraussetzung. Ich kenne versierte Sockenstrickerinnen, die nach wie vor Probleme haben, sich den Ablauf der Socken-Entstehung räumlich vorstellen zu können. Genau aus dem Grund gibt es Anleitungen, die diese gedankliche Lücke schließen. Auch wenn du nicht weißt wie, es funktioniert!
⇨ Dann bleibt noch der Perfektionismus-Anspruch, den viele Strickerinnen an sich selbst stellen. Das hemmt und bremst einen aus. Dabei sind Zeit- und Materialeinsatz gerade bei Socken niedrig. Im schlimmsten Fall sind 10–20 Euro futsch: ein Kinobesuch (mit oder ohne Popcorn). Und gelernt hat man trotzdem etwas – selbst wenn’s nicht geklappt haben sollte.
Zum Schluss noch ein Tipp:
Ungewollte Löcher in den Socken entstehen oft an den Stellen, an denen zu- oder abgenommen wird. Das passiert, und nicht nur bei Anfängern. Mit einem kurzen Stück Faden und einer Sticknadel (achte auf eine abgerundete Spitze!) können diese Löcher nach dem Stricken problemlos geschlossen werden. Und keiner muss es je erfahren!
Fazit
Ich hoffe, dass ich einige der Einwände gegen das Socken stricken entkräften konnte. Ich hoffe auch, dass ich dich animiert habe, es zu wagen, Socken stricken (falls du bis jetzt Bedenken hattest). Und ich hoffe außerdem, dass die Zeitungen lernen, dass es mehr Socken-Strickerinnen gibt als nur diejenigen im Greisenalter!
Marie meint
Liebe Beatrice,
danke für diesen besonderen Blogbeitrag! Besonders aus meiner Sicht wegen Deiner trefflichen Beschreibung der beiden Bilder, die oft mit dem Sockenstricken verbunden werden und deren Gemeinsamkeit: Muße, Entspannung und Gemütlichkeit – und dass es diese Dinge sind, die Menschen heute nicht mehr in ausreichendem Maß haben können oder wollen. Wie trefflich formuliert!
Aber ein „Fragenbündel“ habe ich auch noch: Gibt es die Wolle zum rechts abgebildeten Socken der Abbildung „Schachenmayr Regia 4-fädige Sockenwolle; 2 Farbbeispiele“ noch zu kaufen? Dieses Sockendesign finde ich traumhaft und würde am liebsten in Deinem Oktober-Sockenkurs, zu dem ich ja schon angemeldet bin, gleich mit dieser Wolle zu stricken beginnen, habe aber schon bemerkt, dass sich die Wolle nicht so einfach „ergoogeln“ lässt – und ich vermute ja zusätzlich, dass sich das Design aus verschiedenen Wollen zusammensetzt, ist es so? Und meine zusätzliche Hoffnung, dass es dazu eine Kaufanleitung gäben könnte …
Herzlich fragend aus dem oberösterreichischen Innviertel
Marie
Beatrix meint
Liebe Marie, ich kann dir zumindest die Info geben, dass dieses Muster noch in der aktuellen Kollektion ist. Es ist Teil der sog. „Design Line REGIA PAIRFECT by ARNE & CARLOS“ (Farbe: straumen color 06820). Pairfect bedeutet, dass die Wolle so bedruckt ist, dass du leicht den Übergang findest an dem das Muster beginnt. Es ist tatsächlich nur ein einziges Knäuel und diese Drucktechnik ist echt ziemlich clever, von daher durchaus für Sockenstrick-Frischlinge geeignet. Für dein allererstes Paar würde ich sie dir nicht empfehlen, denn dabei wollen wir ja noch einiges „feinjustieren“. Falls du sie dir aber für das zweite Paar schon mal „an Land ziehen“ möchtest, go for it! Eine Kaufanleitung brauchst du nicht, dazu mehr im Kurs. Ich freue mich übrigens sehr, dass du beim Kurs mit dabei bist.😍 Liebe Grüße aus dem oberen Donautal Beatrix
Marie meint
Liebe Beatrix,
ganz, ganz herzlichen Dank für all Deine Infos – natürlich 😉 habe ich mir die Wolle gleich bestellt – es soll meine „Sockenproduktion“ ja nach Sockenkurs richtig intensiv „anlaufen“ … 🙂
Bis dann und liebe Grüße flussaufwärts von Engelhartszell, auch an der Donau!
Marie