Immer wieder kommt bei langjährigen Strickerinnen dieses Problem auf: Die Garnvorräte wachsen an und man verliert den Überblick. Das kann mitunter ziemlich schnell passieren.
Dazu kann ein ausgedehnter Besuch bei einem Garnfestival ausreichen. Oder das Saisonende im Lieblings-Wolleladen mit unwiderstehlichen Angeboten. Was man von dort nach Hause bringt, kann auch völlig richtig sein.
Allerdings vergessen wir oft:
Platz (für Wolle) ist nicht unendlich vorhanden – in keinem Zuhause!
Also versuchen wir, wirklich jedes geeignete Plätzchen als Garnlager zu nutzen. Das führt natürlich dazu, dass uns bald der Überblick abhandenkommen kann.
Sinnvoll ist es daher, sich mindestens ein Mal pro Strick-Saison alle Garnvorräte anzuschauen. Wenn du mit einem guten Ordnungssystem startest, ist das eine Aufgabe, die du rasch erledigen kannst.
Und wie sieht diese Ordnung dann aus?
Darum geht es hier
Deine Garnvorräte, auch Stash genannt
Warum ich das englische Wort Stash so passend finde, habe ich hier ausführlich beschrieben. Kurz zusammengefasst: im Wort selbst klingt an, dass es sich um ein geheimes Versteck und Lagerplatz handelt. Früher für Waffen, heute bei uns für Garne.
Und das kann volle Absicht sein. Denn das Ausmaß unserer Garnvorräte ist nicht für alle Augen bestimmt. Mag es der oben beschriebene Platzmangel sein oder ein wenig schlechtes Gewissen, weil man schon wieder „zugeschlagen“ hat.
Gerade als ordentlicher Mensch scheint das eine brauchbare Lösung zu sein. Denn so sind die Garne aufgeräumt, stauben nicht ein und sind bei Bedarf zur Hand.
Aber ist das wirklich so? Haben wir die Garne überhaupt noch „auf dem Schirm“, die wir da so gründlich verstaut haben?
Als Strick-Neuling oder Wiedereinsteigerin ist es meist einfach, den Überblick zu behalten. Wenige Garnknäuel kugeln in ein, zwei Boxen oder Tüten herum. Ganz zu Recht denkt man sich: „Das ist zu wenig Wolle!“
Keine Auswahl ist für kreative Macherinnen ein schlechter Startpunkt.
Also wird der Garnvorrat erweitert… vielleicht auch um die ersten Fehlversuche. Empfohlen von der netten Beraterin im Wollgeschäft als das perfekte Anfängergarn, merkt man schnell: „Da fehlt einfach die Liebe zwischen dem Garn und mir!“
Im Laufen der Zeit probiert man immer mehr und unterschiedliche Garnqualitäten aus. Der Garnvorrat wächst, und das tut er eben nicht von heute auf morgen.
Und dann auch noch vorwiegend bunt gemischt: Reste von beendeten Projekten kuscheln mit Wolle, die noch verstrickt werden soll.
Womit wir wieder beim fehlenden Überblick sind.
Hast du dich schon mal gefragt, WIE dein Stash eigentlich anwächst? „Spielt das eine Rolle?“, fragst du dich vielleicht. Tut es, denn daraus ergeben sich typische Situationen, Reaktionen und Vorteile.
Projekt-Bezogen
Du hast dich in eine bestimmte Anleitung verguckt. Die perfekte Strickjacke, die noch in deinem Kleiderschrank fehlt. Oder der zuckersüße Pullover für das Enkelkind.
Und für diese Anleitung bzw. dieses Projekt kaufst du dann die passende Wolle.
Also wächst dein Stash immer um eine Menge. Eine Strickjacken-Menge, eine Pullover-Menge, eine Socken-Menge. Meist hast du folglich mehrere Knäuel von dieser Garnqualität. Und das braucht Platz!
Dein Vorteil:
Wolle und Anleitung sind schon „gematcht“, passen also zusammen, was Menge, Nadelstärke usw. betrifft.
Garn-Bezogen
Ein Garn, oder mehrere, sind wir so ehrlich, hat dich „angelacht“. Du hast es so schön gefunden, dass du es einfach kaufen musstest. Weil du noch nicht genau weißt, wie du es einsetzt, nimmst du eher eine kleinere Menge. Vielleicht sogar nur ein, zwei Knäuel?
Dein Vorteil:
Der kreative Flash, den das Betrachten dieses Garnes auslöst, ist Gold wert. Es können sehr individuelle, einmalige Projekte entstehen.
Event-Bezogen
Also, du nutzt am liebsten besondere Gelegenheiten, um deinen Stash zu vergrößern. Sei es nun eine Rabattaktion oder ein Garnfestival, wie eingangs erwähnt.
Und bei preislich attraktiven Angeboten macht es Sinn, ausreichend Menge für ein größeres Strickprojekt mitzunehmen. Warum nicht gleich 500 Gramm oder mehr?
Dein Vorteil:
Wer würde sich nicht über ein Schnäppchen freuen? Zu wissen, dass eine gute Garnqualität günstig zu haben war, ist manchmal schon Erfolgserlebnis genug!
Doch wo Licht ist, darf der Schatten bekanntlich nicht fehlen.
Und der ist in unserem Fall ein still und heimlich vor sich hin wuchernder Garnvorrat oder Stash.
Warum du den Überblick verlierst
Es gibt einen himmelweiten Unterschied zwischen Aufräumen und Ordnung halten. Das wurde mir wieder klar bei der jährlichen Stash „Revision“ oder Inventur.
Warum ich das regelmäßig tue, kannst du hier nachlesen.
Ich hatte alle Garne schön ordentlich aufgeräumt. Zwar verteilt, aber wie ich glaubte, leicht wiederzufinden.
Ich nutze meine Garn-Revision auch, um Garne und Anleitungen zu paaren. Darum war ich auf der Suche nach einem Garn, für das ich eine passende Anleitung ausgedruckt hatte.
Doch leider war es in diesem Fall weder schnell noch gezielt möglich.
Und genau das sollte ein Ordnungssystem machen! Nämlich dir dabei helfen, Sachen schnell und gezielt wiederzufinden! Dabei muss es nicht kompliziert sein.
Die erste Frage, die du für dich beantworten musst:
„Wie suche ich normalerweise?“
- nach Farbe
- nach Garnqualität
- nach Garnstärke
- für eine bestimmte Art Projekt, wie z. Bsp. Socken
Dann solltest du deine Garne so gruppieren, dass du sie nach diesen Kriterien findest. Bei mir gibt es beispielsweise eine Box nur für Sockengarne.
Ob du eine Liste führst, oder die Boxen/Kisten außen beschriftest, entscheidest du. Ebenfalls nach deiner persönlichen Vorliebe!
Bisher hatte ich lediglich meine Boxen außen beschriftet. Aber eigentlich mag ich handschriftlich ausgefüllte Listen, darum führe ich so eine seit dieser erfolglosen Suche.
Noch einen Vorteil hat das Ganze. Meine Garnvorräte sind im Keller gelagert. Wenn ich etwas suche, muss ich nicht vom gemütlichen Sofa aufstehen, sondern nehme rasch meine Liste zur Hand.
Und dieser vermeintliche Aufwand ist es wirklich wert. Dann lass uns kurz die Probleme anschauen, die du bekommen kannst, wenn du „nur“ aufräumst. Damit ist gemeint, die Wolle in Schubladen, Schränken oder Kisten zu verstauen.
- Du kaufst geschwind ein neues Garn, weil du keine Lust hast, deine Vorräte zu durchstöbern (teuer!)
- Ein Strickprojekt wird nicht begonnen, weil die Suche nach der bereits gekauften Wolle zu zeitaufwendig ist (traurig!)
- Ein begonnenes Projekt wird nicht fertig, weil (restliches) Garn nicht mehr auffindbar ist (frustrierend!)
- Eine Anleitung, die du zusammen mit einer passenden Wolle aufbewahrst, kann nicht gefunden werden, dabei benötigst du sie für ein anderes Projekt (ärgerlich!)
Kurz gesagt:
Den Aufwand hast du einen Tag im Jahr, den Nutzen die anderen 364 Tage.
Habe ich dich davon überzeugt? Gut.
Bevor du allerdings mit deiner neuen Ordnung startest, solltest du noch eine Sache tun.
Ausmisten deiner Garnvorräte
Ja, du hast richtig gelesen. Denn was macht es für einen Sinn, Garne bzw. Wolle aufzubewahren, die du mit großer Wahrscheinlichkeit NIE verstricken wirst?
Ich kenne diese Entscheidungsnot, sie gehört leider dazu. Bei der letzten Garnrevision bin ich für jedes Garn eine Checkliste durchgegangen, ob ich es behalten sollte oder nicht.
Diese Entscheidungshilfe nutze ich jedes Mal. Manche Garne konnte ich erst „verabschieden“, nachdem ich sie über mehrere Jahre unter der Rubrik HOPP hatte.
HOPP bedeutet, diesem Garn muss noch auf die Sprünge geholfen werden. Es fehlt Inspiration, was du daraus machen kannst und willst! Wenn sich im Laufe der Zeit zeigt, dass diese Suche einfach nicht erfolgreich ist – adieu, du Garn.
Die Entscheidungshilfe kannst du dir einfach aus dem DEPOT herunterladen, wenn du meinen Newsletter abonniert hast. Wenn nicht, kannst du das hier tun.
Thrive Leads
Gehe deine Garne in der folgenden Sequenz durch
Starte damit, welche Garne bleiben sollen. Nutze dafür die TOPP und die HOPP Kategorien. Also die Garne, die dir super gefallen oder die schon fest verplant sind. Es gibt in der Checkliste noch weitere Kriterien, die dir bei dieser Auswahl helfen.
Garne, die nun noch übrig sind, sind die FLOPP Garne. Also die dir irgendwie nicht zusagen. Versuche, sie dir möglichst neutral anschauen. Stell dir vor, du hilfst einer guten Freundin beim Ausmisten.
Vielleicht fällt es dir schwer, dich zu trennen? Dann kannst du die aussortierten Garne gesammelt zur „Wiedervorlage“ im nächsten Jahr aufbewahren. Das kann helfen.
FLOPP Garne müssen nicht automatisch im Abfall landen. Sie können für andere Handarbeitsfans noch sehr wertvoll sein. Überlege dir also, wer davon profitieren kann, vor allem wenn die Mengen entsprechend sind.
Restekiste ja oder nein?
Kleine Mengen und Restknäuel kannst du in einer gesonderten Restekiste aufbewahren. Vielleicht sammelst du auch, wie ich, für einen Reste-Schal im Leinenmuster aus Sockenwolle?
Spare dir den Aufwand, von all diesen Garnen Notizen zu Zusammensetzung, Farbe und Nadelstärke zu machen. Du wirst mit Restwolle nur Projekte umsetzen können, bei denen es eine gewisse Toleranz bezüglich dieser Punkte gibt.
Ansonsten würde ich diese Kleinstmengen tatsächlich in den Müll werfen.
Dein neues Ordnungssystem
Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand:
Es ist nun noch einfacher, Ordnung zu halten. Du weißt, welche Garne schnell erreichbar sein sollten, weil du gleich damit starten kannst. Das könnte dich auch vor Impulskäufen bewahren. Ich spreche da aus Erfahrung.
Ebenso weißt du, für welche Garne noch nach einem passenden Projekt gefahndet werden muss. Sei geduldig, dieser Prozess kann sich in die Länge ziehen.
Was für eine gute Gelegenheit, vom ein oder anderen Garn eine Maschenprobe zu machen! Und zwar, um Griff und Optik im verstrickten Zustand testen zu können. So wie es viele Strickdesigner tun.
Zusammenfassung
Deine Garne sind kreatives Potenzial, das nur noch nicht verarbeitet ist. Leider überwiegt dabei manchmal das Wunschdenken, was man innerhalb einer gewissen Zeit umsetzen kann.
Im ersten Schritt, dem Ausmisten, entscheidest du, welche deiner Garne du behältst. Gleichzeitig sortierst du jene aus, die für dich nicht passen. Nutze dafür die Entscheidungshilfe „Welche Garne ausmisten?“.
Im zweiten Schritt kannst du dir dann einen schnellen Gesamtüberblick über deine Garnvorräte, deinen Stash machen. Die Mengen, Garnstärken/ Garnkategorien oder Farben kannst du dabei als Sortierkriterium nutzen.
Denke daran:
Ordnung ist Aufräumen mit System. Das Ziel ist, dass du die Garne schnell wiederfindest. Nicht, dass es hübsch aufgeräumt ist.
Angelika meint
Vielen Dank, liebe Beatrix, auch diese Woche wieder sehr umfassend und hilfreich! Ich freue mich jeden Sonntag auf Nachricht von Dir!
Beatrix meint
Liebe Angelika, so schön, von dir zu hören. Es macht gerade wieder sehr große Freude, die vielen spannenden Strickerinnen-Themen mit dir und den anderen Leserinnen zu teilen. Danke für deine freundlichen und unterstützenden Worte!
Marie Wolf meint
Liebe Beatrix,
herzlichen Dank für Deine tolle Zusammenfassung zum Umgang mit den eigenen Wollvorräten!
Betreffend „Was tun mit Kleinstmengen?“ ist es mir ein Anliegen zu ergänzen, dass man vor dem Wegwerfen noch bedenken sollte, ob man möglicherweise eines Tages ein wenig von dieser Wolle benötigen könnte, um ein Lieblingsteil auszubessern!
Ich hatte beispielsweise vor Jahren eine Jacke gestrickt, die ich über Jahre hinweg und gefühlt ununterbrochen trug, bis sie dann an einem Ärmel durchgewetzt war. Ich konnte sie nun mit dem vorhandenen Wollrest noch flicken.
Diese Lieblingsjacke leistete mir hernach noch ein ganzes Jahr treue Dienste, bis ich ob ihrer inzwischen insgesamten Schäbigkeit endlich bereit war, mich von ihr zu trennen …
Herzliche Grüße aus Oberösterreich!
Marie
Beatrix meint
Liebe Marie, da hast du einen guten Punkt! Ja, fürs Ausbessern kann man sich ein wenig Wolle aufbewahren, bei Socken mache ich das bevorzugt (aus Erfahrung). Das Prinzip ist so ähnlich wie mit dem Ersatzknopf – den braucht man auch selten, aber dann ist man sehr froh drüber ihn zu haben! Wenn die Wolle aus Versehen doch aufgebraucht oder weggeworfen wurde, gibt es noch die Möglichkeit, die Löcher und Dünnstellen mit bunten Fäden zu reparieren. Sehr schöne Beispiele des sogenannten visible mending findest du, falls du mal gucken möchtest, bei Flora Collingwood-Norris. Viele liebe Grüße ins schöne Österreich von Beatrix